sauschwer sauweit saukalt

Tag 1 – 4

 

Samstagmorgen, Steinach am Brenner. Hier bin ich gestern angekommen, aus Innsbruck. Mit der Bahn. Nachdem es die letzte Woche in den bayerischen Alpen alle Pässe zugeschneit hat und das Durchkommen nach Innsbruck eine Lotterie war, ist es seit gestern Abend bitter kalt – die letzte Nacht hatte s hier – auf 1000 Meter – irgendwas um die -16°C. Jetzt ist es 9 Uhr Morgens und die Kälte ist schneidend. Radfahren möchte ich heute nicht, aber ich hab zum Glück einen Tag Asyl bei einem Studiumsfreund, den es hier herauf verschlagen hat.

 

Entsprechend habe ich heute Zeit meinen Muskelkater zu kurieren, das Material in Stand zu setzen und das (B)logbuch zu beginnen.

 

Der Tag der Abfahrt war strahlend blau, um 10 Uhr hab ich meinen Bruder Thomas, meine Eltern und Gigi am Marienplatz getroffen, Photos und kleine Filmsequenzen aufgenommen. Mit dem Thomas bin ich die erste Etappe nach Lenggries geradelt, an der Isar entlang, Sonne im Gesicht, verschneite Landschaften.

 

Aufgepackelt habe ich tatsächlich 40kg dabei. Klamotten und Kochutensilien, Werkzeug fürs Radl, die Reiseapotheke und natürlich der Gleitschirm. Zunächst war ich ja richtig stolz unter 40kg zu bleiben, nach den ersten Kilometern und dem ersten Anstieg relativiert sich das. 40 Kilo ist viel. In der Ebene fühlt sich das an wie mit angezogener Bremse zu fahren, das Anfahren, Beschleunigen und Bremsen ist bemerkenswert träge – Steigungen, und jetzt nicht irgendwelche 15% Rampen, sondern auch deutlich weniger bremst mich auf Schrittgeschwindigkeit. Wie so oft stimmt das was alle anderen eh schon immer sagen:
1) man hat zu viel dabei – du wirst erstaunt sein wie viel Du zurückschickst

 

2) Nimm diesen bescheuerten Schirm nicht mit – zumindest lass ihn dir dahin schicken wo du ihn brauchst …

 

Unabhängig davon ist es schön mit dem Thomas Richtung Lenggries zu radeln, googlemaps findet immer wieder Schneewände in dir wie einradeln sollen und Abzweigungen ins Nirvana. Nehmen wir die Abzweigung verzetteln wir uns, beharren wir auf dem offensichtlichen Weg protestiert das Telefon ausdauernd. So gestaltet sich der Weg Richtung Berge pittoresk mäandrierend und wir nähern uns über Dietramszell und Bad Tölz den Voralpen. In Lenggries treffen wir meine Eltern und Gigi, essen zusammen im Altwirt, trinken noch ein Bier und irgendwann ist es dann soweit und Zeit zum Servus sagen. Um wirklich sehr emotional zu werden geht das alles zu schnell, aber insgeheim denke ich, dass die Sorgen meiner Eltern diametral anders gelagert sind als meine: Wo sich die beiden um meine Gesundheit Gedanken machen und dass ich wohlbehalten zurückkomme, befürchte ich, dass ich schon in einer Woche wieder auf der Matte stehe, weil mir das alles irgendwie doch zu hart ist: Zuviel Gepäck, die ganzen geschlossenen Pass-Strassen und die Befürchtung schon am ersten kleinen Abschnitt kläglich zu scheitern. Zu kalt, zu einsam, …. Oh boy.

 

Mein Dank nochmal an Thomas, für die Begleitung und die liebe Gigi, die mir den letzten Schwung von Dingen hinterhergefahren hat. In der Dunkelheit radl ich weiter zu Katerina, meiner ersten Couchsurf Gastgeberin, die mich mit einem Bier in der Hand begrüßt und neben dem Ofen auf dem Boden sitzend ratschen wir über das Reisen, das Gleitschirm Fliegen, alternativen Gemüseanbau, Brotbacken und die Zustände auf den Passtrassen – ein Thema dass mich die Nacht durch begleitet. Achenpass: Geschlossen, Jachenau: geschlossen, Sylvenstein: geschlossen! Mittenwald: geschlossen! Was bleibt wäre über Kufstein und mit dem Zug???

 

Am nächsten Tag starte ich in den strahlenden Tag Richtung Jachenau, die Straße ist nun doch offen – heißt es, als ich ankomme ist eine Straßensperre aufgestellt – aber weil die unbewacht ist und Fahrräder nicht explizit in das Zufahrtsverbot eingeschlossen sind, probiere ich es mal. Im Ergebnis der schönste Streckenabschnitt bis jetzt. Verschneite Landschaften, verschneite Dörfer, meterhohe Schneewehen, der Walchensee klar und glatt wie ein Spiegel, … dank Straßensperrung herrscht wenig Verkehr: Ein Panoramaweg für mich und ein paar versprengte Photografen. Als ich die Straße verlasse ist auch de Sperrung aufgehoben und die Schilder zur Seite geschoben. Der Weg nach Leutasch ist zum Glück nun auch offen und es ist kraftraubend das Rad über den letzten Anstieg in das Hochtal zu fahren – auf dem Weg verlasse ich Deutschland und photografiere die österreichische Landesgrenze.

 

Ich übernachte bei Arturo, einem weitgereisten erfahrenen Argentinier, ein echter global citizen der schon Überall war: Ich höre viel zu und komm mir ziemlich unerfahren vor: Außer Planung hab ich wenig gerissen bislang und das was vor mir liegt ist schon viel. Wenn ich nicht aufpasse merke ich, wie das unangenehm an mir zieht. Wo schlafe ich morgen, wie sind die Straße, wie die Beine, soll ich den Scheiss-Schirm irgendwo auf der Post aufgeben und nach hause schicken???? Fast 10 kilo weniger klingt schon verlockend… (und das nach 2 Tagen!) Arturo arbeitet in einem coolen Hostel und ich darf im Dorm schlafen – es ist super gemütlich und der Blick in die Alpen atemberaubend.

 

Tag 3: Von Leutasch geht es zunächst runter nach Innsbruck – aus dem Schnee in das fast grüne Inntal herunter. Von 1100 Metern runter auf 650. Die Strasse ist steil, endlich geht es mal schnell aber vom Bremsen werden die Felgen heiss und der Schnee, den ich auf die Räder werfe zischt. Als ich zum Abkühlen an die Leitplanken steuer um as Rad anzulehen, beibt eine Packtasche am fest gefrorenen Schnee hängen und die Aufhängung an der Tasche bricht. Erste Panne. Mehr als mit Kabelbindern notdürftig reparieren geht nicht. Aber es hält und so gelange ich ins Inntal und fahre Richtung Osten in einen strammen Gegenwind. 40 Kilometer strampel ich auf Straßen und verschneiten Radwegen bis ich leider viel später als erhofft in Innsbruck ankomme. Mit dem Ostwind kommt auch ein Temperatursturz und ich frier wie ein Schneider. Jetzt kämen nochmal 25km auf der alten Brennerstrasse – 600 Höhemeter, rauf nach Steinach, zu meinem alten Biologenkumpel Ralph. Was für ein Segen, dass der hier wohnt. Was für ein Segen aber auch, dass es eine S-Bahn zum Brenner gibt. Mit all meinem Krempel darf ich für 8 Euro in 30 Minuten nach Steinach fahren und es ist warm. Vom Bahnhof sind es kaum mehr als einen Kilometer, ein einziger steiler anstieg um zu dem alten schönen Haus zu gelangen: Meine Herrn, bin ich froh, mit dem Zug hier rauf gekommen zu sein.

 

Samstag, 11 Uhr: ich suche nach dem SD-Karten Slot in meinem Computer, den es scheinbar doch nicht gibt… Ralph und Tochter Olivia schneiden Äste im Garten. Es ist so ungemütlich kalt. Im Januar über die Alpen macht demütig. Was bin ich froh, hier einen Tag rasten zu können. Und mein Plan hat sich geändert. Es ist einfach zu frostig in den Bergen hier oben und die nächsten Tage werden nicht besser – also ab nach Süden. Morgen nach Bozen und in eine bezahlbare Jungendherberge. Von dort aus sehe ich weiter.

 

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