Bike and sail

So.31.03              Bucht von Kas

 

Mo. 01.04           Kas – Kekova: ~25 nautische Meilen

 

Di. 02.04             Kekova – Finike: 55km horizontal 550 Meter vertikal

 

 

Jetzt sitzen wir in Kas, haben ein paar Lebensmittel in dem örtlichen Migros gekauft und essen das obligate Tomaten Käse Brot, als wir mit 2 jungen Männern und einem braungebrannten Jungen ins Gespräch kommen – der Bub könnte irgendwo herstammen, Mittelamerika, Pakistan, sonstwo… die beiden Männer aber ganz offensichtlich aus den USA. Wir erzählen kurz was wir so machen und erfahren von den beiden Amis, offensichtlich ein Paar mit ihrem Adoptivsohn, dass sie vor 2 Jahren ihr gesamtes Hab und Gut verscherbelt haben um sich dafür einen Katamaran bauen zu lassen, mit dem sie seitdem um die Welt gondeln. Das Boot liegt unten, 3 km quer über die Bucht, gegenüber des Hafens und nach Kas sind sie mit dem kleinen Motorbötchen (Dinghi) rübergetuckert um Lebensmittel einzukaufen. Was für ein lustiger Zufall: Es donnert so ungemütlich in den Bergen und ich sehe unsere Pläne nach Kekova zu kommen mit all dem ewigen Essen und Pausieren und jetzt ausgedehntem Geratsche im kommenden Gewitter zerrinnen. Mehr so zum Spaß frag ich, ob sie uns nicht schnell nach Kekove rübersegeln wollen: Keine Ahnung wie groß deren Kat ist – aber wenn sie, wie sie berichtet haben, Gäste aufnehmen und eine Woche für 2500 US Dollar quasi kommerziell anbieten, dann sollte doch Platz sein für 3 Räder und 3 schmale Radfahrer.

 

Die Frage, so meinen die beiden ist eher, wie wir die Räder in das Motorbötchen gepackt bekommen, mit den Taschen ohne 10 mal hin und her fahre zu müssen – ob wir denn Lust hätten: Aaaaaaber heute fahren sie nicht mehr weiter – man braucht ne Menge Wind für so ein Mordsboot und der ist erst für Morgen angesagt – wenn wir also nach Kekova wollen, dann bleiben wir die Nacht in der Bucht, segeln morgen Nachmittag nach Kekova und am Tag darauf – also Dienstag könnten sie uns vom Boot an das Festland bringen. 2 Tage für 40 km. Unser Beitrag – Lebensmittel und ein bisschen was für den Sprit. Seeeehr verlockend. Aber…

 

Vor Jahrzehnten habe ich mich mal auf ein freundliches Angebot einer Australierin eingelassen, die vermeintlich eine gesamte Insel auf den Philippinen besaß und angeboten hatte uns dorthin für eine kurze Zeit einzuladen: Ich war damals mit meiner Freundin Ingrid unterwegs – gemeinsam mit einem französischen Pärchen haben wir das Angebot angenommen, sind auf diese Insel geschippert, wurden ausgenommen wie die Weihnachtsputen und konnten wegen angeblichen Taifun-Warnungen nicht mehr von der Insel runter. Erst als wir die ansässigen Fischer mit verzweifelten Bestechungsgeldern weichgeklopft hatten konnten wir die Insel  - hinter dem Rücken der Austrailierin – verlassen, mehr Flucht als Abreise. Und dann kam tatsächlich der Taifun und die Bootsfahrt auf die Insel Palawan gehört vermutlich zu den wenigen wirklich kritischen Reiseerfahrungen, die ich je gemacht habe.

 

2 Tage für 40 km und ein bisschen verliert man schon seine Unabhängigkeit – wer bringt dich zurück ans Ufer? Passt das Wetter? Werden aus den 2 dann nicht am Ende doch 3 Tage, oder mehr?

 

Zum anderen: Weißer Katamaran auf türkisem Wasser sticht eindeutig Radfahren im Regen und Campen im Schlamm. Und ging es hier nicht um Erfahrungen? Und will nicht jeder mal auf diesem Trampolin-Netz zwischen den Rümpfen liegen, während das Meer darunter vorbeirauscht. Ist nicht bis jetzt das Mittelmeer an dessen Küste ich nun fast 3 Monate entlang radel ein bisschen zu kurz gekommen? Erst zu kalt, später oft unzugänglich? Jetzt also großartige Aussicht auf die volle Dröhnung Mittelmeer: Vom Boot ins Wasser gehüpft, unter dem großen Segel in der Sonne liegen, eine neue Perspektive auf das Meer, die Küste, die Buchten, so kurz bevor ich es in Antalya endgültig verlassen muss? Pedro und Sarah wollen auch, Platz wäre für uns alle und in 2 Fuhren bekommen wir unsere 3 Räder und 100 Taschen per Dinghy auf den Katamaran gefahren.

 

Vorher noch kurz Lebensmittel eingekauft. Es ist Wahlsonntag in der Türkei, Kommunalwahlen: am Abend werden die großen Städte an die Opposition gefallen sein: Selbst in erzkonservativen Dörfern lassen sich die Gemüsenbauern nämlich nicht als Terroristen bezeichnen, nur weil die türkische Lira schwächelt und die Zwiebeln teurer werden. Am Wahltag dürfen Türkei-weit alkoholische Getränke nicht verkauft werden und ich muss die kleinen „Bufe“-Lädchen abklappern bis ich einen Händler finde der mir zumindest 1 Sixpack Efes für ein Schweinegeld und eine Literflasche miesen Wein verkaufen will. In Malatya wurden an dem Tag vor Wahllokalen zwei Leute erschossen, im Streit um die Politik.

 

Von dem Katamaran, der Crew – bestehend aus Court, Rafael und dem kleinen Gabriel gibt es ausreichend Bildmaterial und Infos – so brauche ich hier nicht viel Technisches schreiben und verweise für diejenigen, die sich für Katamaran-Segelyachten, Segelreisen etc. interessieren auf die homepage: windexpedition.com

 

14 Meter lang ist das Boot und ich bekomme eine kleine Kabine – selbst in den schmalen Rümpfen eine Katamarans bekommt man ein veritables Schlafzimmer incl. Dusche und Toilette untergebracht – ich bin im Bug, Pedro und Sarah im Heck auf der einen Seite. Die andere Seite bewohnen unsere Gastgeber. Zwischen den Rümpfen gibt es ein Wohnzimmer – Lounge – Veranda-Kontinuum, darüber ein Sonnendeck auf dem man mit erhabenem Blick die Yacht steuern kann. Rafael kocht, ich schnipsel Gemüse, Pedro und Sarah sind beide vegetarisch und so hab ich nicht die unangenehme Rolle inne, alle aus Höflichkeit zu unwilligen Beilagenessern zu machen. Rafael ist ein wirklich begnadeter Koch und in den kommenden Stunden essen wir Pancakes und Omlettes, Tex-Mex, haufenweise gegrilltes Gemüse und Salat und Reis … und es ist genauso, wie man sich das vorstellt. Vom Bug aus ins Meer hupfen und hechteln, schnorcheln zwischen Fischschwärmen, aufwärmen in der Sonne, frösteln im Wind, Ratschen und Blödeln am Deck, durch das Trampolin-Netz aufs Wasser und unter dem Segel liegend in den Himmel sehen. In der Nacht plätschert das Wasser gegen den Rumpf und das Bett schaukelt.

 

Frühstück, auf dem Deck das Aufsteigen der Sonne bewundern – ins Wasser hüpfen und nochmal eine Runde schnorcheln – Wahnsinn wieviele unterschiedliche Fische hier in der Bucht sind, ich fühl mich wie Jacques Cousteau umzirkelt von einem Fischschwarm; silbrig verschwinden sie in tiefere Gewässer. Irgendwas stimmt nicht mit der Frischwasserversorgung, blöd – weil wichtig. Auch Strom muss man sparen – kein unnötiges Licht – kein unnötiges Wasser. Alles braucht Diesel und Energie. Ich find sparen eh gut. Die Wasseranlage ist ganz unten, in der Bilge des Rumpfes – direkt unter meiner Kajüte und Court muss durch ein herausnehmbares Bodenbrett in diese kleine Kammer runter steigen und versuchen irgendeine Dichtung festzuziehen. Was gelingt – aber nur kurz – dann versiegt die Quelle unter meinem Bett. Egal – kann man ja später machen. Es wird Mittag und langsam frischt endlich der Wind auf.

 

Als wir am Nachmittag endlich aus der Bucht fahren und im einsetzenden Wind die Segel setzen, ist das natürlich der absolute Höhepunkt – wir dürfen die Segel hochziehen, kleine Manöver versuchen, den Kurs optimieren und ich bin ziemlich angefixt von der Spielerei mit Segelstellung und Kurs. Mit einem Wind von 15 Knoten macht der Katamaran so etwa 5, wenn überhaupt. Wahnsinnig schnell ist das nicht und vermutlich ist das kein Rennboot. Aber umso besser. Ich freu mich über das Segeln und je weiter wir vom Ufer wegfahren, desto frischer weht der Wind. In Spuckweite liegen Inseln mit vorgelagerten Felsen vor der türkischen Küste – man könnte rüber schwimmen. Needless to say: griechisch. Egal – wir werden Stroggili für unsere türkischen Freunde nicht zurückerobern, und halten auf Kekova zu, navigieren durch ein Nadelöhr in die geschützte Bucht, suchen einen Ankerplatz mit den Vorzügen von Sonnenuntergang, Windschatten und Schnorchel-Revier. Rafi macht sich ans Abendessen, ich Schnipsel Gemüseberge für eine mexikanische Tortilla Füllung und Court kriecht wieder in die Bilge, wegen Frischwasser-Elend. Später wird aus einem der 1000 Staukammern noch ein Grill gezaubert und Auberginen und Zwiebeln und Peperoni draufgeschmissen. Wir essen bis nichts mehr reingeht – welch angenehme und willkommene Diversifizierung meiner konsequenten Pide und Salat Diät. Irgendwann verzupf ich mich Richtung Koje – schön Strom sparen, alles dunkel wie im schwarzen Arsch, einen Schritt noch ins Bett, das ich im Dunklen vor mir erahne. Nur dass da wo mein Schritt landet, kein Boden sondern ein Loch im Boden ist und darunter: Bilge mit Frischwassertechnologie.

 

Mir ist bis heute nicht ganz klar, an was ich mir meinen Oberschenkel so monströs angehaut habe, an irgendwas bin ich vorbeigeschrappt. Aber im ersten Moment kapiert man ja nix – wenn man im Dunklen plötzlich ins Bootsinnere abtaucht. Nur dass es wirklich fies weh tut. Armer Court – dem tat das wirklich leid und es war ihm so scheiß-peinlich, dass er die Luke offengelassen hat. Heute – 10 Tage später prangt noch immer eine beachtliche blau-rot-gelb tupfige Beule, juckt und wird größer, statt kleiner. Vermutlich kann man sich so seine Rippen brechen, Zähne ausschlagen und anderen Ungemach einhandeln, der das Weiterfahren mit dem Rad deutlich erschwert. Insofern alles super. Kleines weiches buntes Andenken an zwei Tage an Bord der „Windexperience.com“. Neben vielen vielen wirklich tollen Erinnerungen  - aber auch der gewonnenen Erkenntnis, dass mir 2 Tage Rumhängen echt reichen. Ich habe zuviele Hummeln im Hintern als dass ich mich länger als eine Sunde in die Sonne packen kann – Segeln ist super, ankern interessant, navigieren, schnorcheln, schwimmen… alles mega. Aber diese Rumhängerei macht mich kirre.

 

Sarah und Pedro entscheiden sich für einen weiteren Tag auf dem Boot aber ich will jetzt wieder weiter fahren, sonst werde ich wahnsinnig – und wenn ich noch einmal „amazing views“, „beautiful sunset“, „gorgeous food“, „great swim“, „have you seen the the moon?“, „spetacular scenery“ oder ähnliches höre oder, schlimmer noch, selber sagen muss, bekomme ich Schaum vor dem Mund und Akne und schmeiß den unschuldigen Gabriel zu den Fischen. Jetzt – nix wie weg. Und so fällt der Abschied schwer von den beiden Radlern – es war schön, aber so erbärmlich kurz. Mit dem Segeln hat sich sozusagen ein Wunsch erfüllt den ich gar nicht hatte. Ich bin wirklich froh dass wir – Pedro Sara ich, das gemacht haben – aber als ich mich von Kekova aus den Hang in der Mittagshitze heraufschinde ist das wie nach Hause kommen. An dem Tag fahre ich weiter bis nach Finike – das sind 55km weit und 500m vertikal: an einem Nachmittag. Radfahren geht einfach schneller.

 

 

 

Views from the boat, featuring Pedros dive, beautiful morning scenery, amazing colours of the water, what a sunset - and hey - have you seen the moon?

Wieder auf der Straße und ein Blick zurück

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