zu dritt durch den Iran: Tehran, Isfahan und Yasd

Tehran gilt als Anwärter auf den Titel der hässlichsten Stadt. Ein Betonmoloch am Fuße der Berge, im Norden erheben sich das Alborz-Gebirge, darunter kauert die Hauptstadt der Republik. 15 Millionen Menschen leben da, die Stadt zieht von Süden nach Norden die Berge hoch, der Süden arm, der Norden reich. Aber ich hab es mir noch schlimmer vorgestellt als es ist – es ist natürlich kein schmuckes Städtchen, sondern schon wirklich hässlich, runtergekommene Fassaden, planlos zusammengewürfelte Wohnblöcke durchzogen von Straßen auf denen der Verkehr tobt. Die Luft ist dichter Smog und rund um die Uhr pusten von Bus bis Moped die allerstinkendsten Vehikel Schmutz in die Luft. Die Luft ist dem Vernehmen nach in keiner Stadt der Welt schlechter. Ein Tag Tehran entspricht 2 Packerl Kippen. Aber die Straßen sind gesäumt von Bäumen, die heroisch den Abgasen trotzen und es gibt immer wieder Parks und kleine Grünanlagen, in denen die Jugend herumlungert, die Alten auf Bänken rasten und der Lärm und das Chaos der restlichen Stadt ausgesperrt bleibt.

 

Echte kulturelle Highlights gibt es wenige und wir - Mama, Papa und ich - beginnen unsere Besichtigungstour mit dem Golestan Palast, Golestan (von Gol, der Blume und Stan, dem Land; den Golestan Nationalpark im Nordosten des Landes werde ich zwei Wochen später in Gluthitze durchradeln). In dem Palast residierten die royalen Familien zwischen 1800 und 1925. Bis zur glorreichen islamischen Revolution im Jahr 1979 wurde der Palast für repräsentative Zwecke genutzt, die ältesten Gebäude sind knapp 400 Jahre alt – nichts also was der Jahrtausende alten persischen Kultur glaubhaft Rechnung tragen könnte und so sieht es dann auch aus. Ein Monster Bohei wird um diverse Spiegelsäle gemacht, die aber dann auch nicht sehr viel beeindruckender aussehen als ein Spiegellabyrinth auf der Kirmes, wenn man sich noch ein paar Discokugeln dazu denkt. Es gibt einen schönen Park mit langen Brunnen, am Ende öffnet sich eine Halle mit einem alabasternen Thron, eine marmorne Fläche, die von kitschigen Figurinchen gestützt wird. Die Hallen selber sind endlos verspiegelt und mit Pomp und Kitsch vollgestopft und Wandtafeln erklären, welche Würdenträger in welchem schattigen Winkel besonders gerne sich eine Wasserpfeife gegönnt haben und den Tag verdämmert. Während draußen das niedere Volk in der Hitze des Tages geschafft und geschuftet hat. Eine besonders menschfreundliche Herrschaft war das auch nicht (und in einem Museum, das allerdings vornehmlich der glorreichen islamischen Revolution huldigt, kann man sich die grausamen Haftbedingungen zeigen lassen, unter denen die Gefangenen des letzten Schahs, Mohammad Reza Pahlavi, wie Vieh zusammengepfercht gefangen gehalten wurden) So ist man gerne gewillt, bei aller Kritik am aktuellen Mullah-Regime zumindest den Umsturzwillen zu verstehen: You can fool some people sometimes but you can´t fool all the people all the time: Drinnen protzige Verschwendung, draußen kämpft das Volk, um der Stadt ihr Leben abzutrotzen, wer meckert verschwindet in einem finsteren Loch – und wenn dann irgendein semicharismatischer Kerl mit ein paar Heilsversprechen auftaucht, dann sägen die Massen am Thron und jagen den Despoten aus der Stadt. So könnte man denken - aber so wars nicht. Sondern anders: Und auch wenn sich heute viele den Schah zurückwünschen wirft der damalige Umsturz einen unseligen Schatten auf das Land. Denn ohne die Unterstützung einer streng religiösen konservativen Bevölkerungsschicht hätte ein Ayatollah Chomeini diesen Coup nicht durchziehen können.

 

Bekannt wurde Chomeini durch eine im Radio übertragenen Ansprache in der er 1963 den Schah direkt angriff. Er wandte sich darin vehement gegen die Reformen, die der Schah, Reza Schah Pahlavi, durchzusetzen vorhatte: Gottlosen Irrsinn, Häresie, moralische Totalentgleisung wie zum Beispiel die Koedukation von Jungen und Mädchen in der Schule, Alphabetisierung, das Verbot der Verschleierung mit dem Hijab – und eine moderne Rechtsordnung – sowie die Einbremsung des Großgrundbesitzes. Ein Rechtsstaat nach westlichem Vorbild, aber dann darf man halt nicht mehr steinigen, oder Hände abhacken und ähnliche althergebrachte Maßnahmen zur Disziplinierung von Frauen, Dieben und anderem Gewürm

 

Dies alles, so der Herr Chomeini, sei gegen den Islam gerichtet und der Schah offensichtlich ein Werkzeug Israels. Das aber wollte sich der Schah nicht gefallen lassen und Herr Chomeini wurde verhaftet und unter Hausarrest gestellt. Dann freigelassen, dann wieder festgenommen wegen fortgesetzter politischer Agitation und abgeschoben, in die Türkei und als die ihn nicht mehr haben wollten in den Irak.  Es folgten gewaltsame Proteste, die der Schah etwas ungeschickt mit dem Militär niederkartätschen ließ. Die Toten waren Wasser auf den Mühlen von Chomeini, und die Proteste des Jahres 1963 gelten als die Geburtsstunde der islamischen Revolution: Was für eine unglückselige Eskalation. In seiner Rede bezog sich Chomeini auch auf einen Scheich Nuri, der Jahrzehnte vorher durchgesetzt hatte, dass ein Rat religiöser Würdenträger jedes Gesetz für nichtig erklären durften, wenn es den Grundsätzen des Islam widerspräche. Zwar wurde der Scheich Nuri von den Konstitutionalisten aufgehängt, bereits 1909, aber das machte den Mann jetzt zu einem Märtyrer für die gute islamische Sache. Aufhängen und niederkartätschen auf lange Sicht also keine so gute Idee.

 

Bis 1977 bilden sich mehrere oppositionelle Gruppierungen: Die Kommunisten/Maoisten, die Mitte/links gerichtete Nationale Front und die Kleriker, die sich die Vereinigung der kämpfenden Geistlichkeit (!) bezeichnen und einen attraktiven Forderungskatalog vorweisen können: Freilassung aller politischen Gefangenen, Wiedereröffnung aller Religionsschulen, die wegen ihrer politischen Aktivitäten geschlossen worden waren, Uneingeschränkte Redefreiheit, Verbot der Pornographie, Recht (!) der Frauen, den Tschador zu tragen, Unabhängigkeit vom internationalen Kapitalismus und Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel, sowie die Rückkehr zum islamischen Kalender. Noch hätte man als persisches Volk vielleicht die Wahl gehabt, aber die Forderungen wurden getragen von einer breiten Masse. Es gab Demonstrationen, es gab Tote und entsprechend islamischer Rituale wird den Toten nach 3 Tagen, nach 7 und nach 40 Tagen gedacht – die Gedenkfeiern eskalierten jedes Mal erneut zu Straßenschlachten mit der Polizei und dem Militär. Und noch mehr Toten, denen gedacht wird… 1978 zünden Islamisten im ganzen Land Kinos an – Kinos haben die Islamisten immer auf dem Schirm und wähnen dort gefährdende Untergrabung ihrer steinzeitlichen Weltanschauung – es sterben Hunderte – aber Chomeini gelingt es den Geheimdienst des Schahs als Verantwortlichen zu diskreditieren und Hunderttausende gehen in den folgenden Tagen für die Opfer und gegen den Schah auf die Straße. Aus den Protesten werden regelmäßige Massendemonstrationen. 1979 beschließen Giscard D ´Estain, Jimmy Carter, Helmut Schmidt und der britische Premier den Schah fallen zu lassen um stattdessen mit Chomeini das Gespräch zu suchen – damit ist das Kapitel Schah beendet, er dankt ab und zieht sich ins Ausland ab und vermerkt ls Abschiedsworte an das persische Volk, dass „ihn das ganze Theater doch sehr angestrengt hat und er sich gerne ausruhen möchte“, eine erstaunliche Dimension an Wahrnehmungsstörung.

 

In all dieser Zeit ist Chomeini im Exil, schreibt sein Buch und agitiert von dort aus – nach der Abdankung des Schahs kehrt er zurück und wird gefeiert wie der rehäugige Messias höchstpersönlich. Angekommen hält er ein paar vielbeachtete Reden an das jubelnde iranische Volk, in denen er die Unrechtmäßigkeit des Schahs in volksphilosophischer Flachheit durchexerziert.  Millionen haben seine Ankunft im Iran gefeiert.  Es beginnen bald die inneren Säuberungsmaßnahmen und politische Gegner aus den anderen Oppositionsparteien werden kurzerhand als Verräter des Islam abgeurteilt und umgehend erschossen. In der Folge terrorisieren Religions- und Sittenwächter das Volk und die islamischen Daumenschrauben werden rasant angezogen bis das Machtmonopol und die autokratische Regierung etabliert ist. In diesem Schwitzkasten befindet sich das Volk bis heute – unfassbar. Kein Mensch soll so leben müssen.  

 

Eine sehr schlüssig klingende Zusammenfassung der unseligen politischen Entwicklung habe ich auf Wikipedia (nicht nur das) gefunden, eine Erklärung des ehemaligen britischen Botschafters im Iran, Anthony Parson, die zwar ein bisschen Schah-freundlicher daherkommt, als es vor dem Hintergrund der grausamen Behandlung seiner Gegner und Kritiker angemessen erscheint, aber trotzdem: Ich zitiere das hier: „Seit dem 16. Jahrhundert hat es im Iran nur eine Revolution gegeben, nämlich die von Reza Schah Pahlavi, die von seinem Sohn Mohammad Reza Pahlavi fortgesetzt wurde. Definiert man Revolution als die Zerstörung vorhandener gesellschaftlicher Strukturen und den Aufbau einer neuen Gesellschaft, die sich von der vorherigen Gesellschaft unterscheidet, so war es genau das, was Reza Schah gemacht hat. .... Chomeini dagegen hat lediglich die beiden Machtzentren wiederhergestellt, die die iranische Gesellschaft für hunderte von Jahren dominiert haben, die Hierarchie der Shia-Muslim-Geistlichkeit und die Kaufleute des Basars. ... Die neue Verfassung ist weit reaktionärer als die Verfassung von 1906. Die modernen administrativen und wirtschaftlichen Strukturen, die die Pahlavis geschaffen hatten, sind bis auf die Grundfesten erschüttert.“ [Anthony Parsons: The Pride and the Fall. London 1984, S. 151 f.]

 

Es sind die Iraner nicht die Opfer einer feindlichen Übernahme durch die Mullahs, sondern vielmehr haben sie die Wiederherstellung der alten Ordnung brav unterstützt. Und die Folgen tragen sie jetzt. Schlimm für all diejenigen, die jungen Menschen, die Frauen, vor allem die Frauen, die das nicht zu verantworten haben.

 

Ich schweife ab – an sich wollte ich nur sagen, dass der Golestan-Palast ziemlich wenig zu bieten hat und bestenfalls Sinnbild ist für die Dekadenz der royalen Familie. Und drum ziehen wir weiter und besuchen den Bazaar – nicht, dass ich da nicht schon einige gesehen hätte – aber auch hier gilt: Nicht die Läden zählen, sondern die Begegnungen, die man darin macht. Es ist schon spät und der Bazaar macht langsam und stellenweise dicht, als wir von einem Teppichhändler angesprochen werden, der natürlich seine Teppiche verkaufen will und uns deshalb gerne in einen alten Teil führt, wo sein kleiner Laden ist und ein Helfer Teppich um Teppich rauskramt. Ich höre sehr ähnlich Geschichten wie in Tabriz, weniger Erklärung und Unterricht, dafür mehr Zug zum Geschäftsabschluss und ich kann mich durchaus für die Senne Kilims aus dem Iran erwärmen, alleine meine in der kritischen Bewertung gewebter Teppiche sehr beschlagene Mutter bleibt distanziert, und bitte – was will ich mit einem Teppich auf dem Rad. Zu meiner eigenen Überraschung kaufen wir auch wirklich nichts, werden aber trotzdem noch eingeladen die alte und berühmte Moschee in den Tiefen des Bazaars zu besuchen. Darin lagern in einen goldenen Schrein gebettet die Überreste eines der frühen Imame und einem direkten Abkömmling des Propheten. Leider ist die Moschee abgesperrt und wir schauen durch die Gitterstäbe auf eine kleinere Kuppel hinter der eine kolossal große schwarze Fahne im Wind weht. Aber unser Gastgeber fühlt sich an der Ehre gepackt und ruft den Hausmeister, der uns tatsächlich die Türe aufsperrt, wir dürfen in die Moschee, die ganz still ist, außer uns sind nur wenige versprengte Betende, still auf den Teppichen sitzend und in ihre Gedanken vertieft. Wieder Spiegel, aber hier in einer schwer vorstellbaren Feinheit. Nix von wegen Discokugel – hier sucht der Blick in den 1000fachen Reflexionen nach Oberfläche und findet nichts, weil alles in so viele Lichtpunkte gebrochen wird und tatsächlich schaut man ins Unendliche, denkt man, … ganz anders als der Golestan-Kitsch. Das hier ist absolut irre und sehr verzaubert. Die Stille, der Schrein, die Stimmung und diese fantastische Kuppel.

 

Nach 2 Tagen in Teheran nehmen wir einen Bus, der uns in die Mitte Irans kutschiert, nach Isfahan. Hierher wollte meine Mutter schon lange, Isfahan, von den Einheimischen als die Hälfte der Welt bezeichnet, ist unbestritten eines der absoluten Highlights des Iran. Hälfte der Welt, weil – so die Überzeugung der ansässigen Bevölkerung – wer Isfahan besucht, bereits 50% der Schönheit des Planeten vor Augen hat. Dass das ein bisschen auf die „persian suppremacy“-Haltung vieler Iraner verweist, die in ihren Nachbarn vor allem mal niederes Geschmeiß sehen, ist vielleicht eine Randbemerkung wert. Meine Kollegin Martina Grandl ist allerdings ausgewiesen Expertin für alles was persisch, orientalisch und/oder alt ist, im Wüstensand verbuddelt reifen konnte und an der Oberfläche von sengender Sonne konserviert bleibt. Ich würde mich freuen, wenn Martina in der Kommentarfunktion des Blogs ein bisschen ausholen möchte und uns Isfahan ausdeuten.

 

Ich belasse es dafür bei meiner persönlichen Erfahrung und spare mir die historische Einordnung. Martina, bist Du so nett? Herzlichen Dank!

 

Über den Bazar wandern wir zusammen mit Hamid, unserem „free walking tour guide“ zunächst Richtung Bazaar, den wir an sich zügig durchwandern wollen, aber dann doch hängen bleiben, weil man dem Verzinnen, dem Kupferklopfen, dem Vasen Verzierer, dem Emailieren, dem  Bäcker und dem Moped-Repariermenschen zusehen müssen. Dann biegen wir ab in einen der vielen Bazaargässchen, treten wenige Minuten später auf einen Platz und dann ist er da, der große persische Moment: Das Bild, das ich auf - frage nicht wie - vielen Reiseführern und -berichten über Iran und Zentralasien gesehen habe: Hier plötzlich vor mir! Und wieviel eindrucksvoller: Der Naqsh e Jahan Platz ist nach dem Tiananmen der zweitgrößte der Welt aber mit einem zentralen Wasserbecken, Arkadengängen um den ganzen Platz und den 4 imposanten Bauwerken in jeder Himmelsrichtung bestimmt der schönere von beiden. (Sollte ich also scheitern mit meinem Vorhaben auf dem Tiananmen anzukommen habe ich jetzt schonmal Platz-technisch eine Silbermedaille gesichert.) Die große Moschee am Südende des Platzes gilt als Meisterstück persischer Architektur und tatsächlich ist es atemberaubend: Das große Eingangsportal ist mit blauen und kunstvoll gemalten Kacheln verkleidet, das Gewölbe in seljukischem Stil aufgebrochen in immer kleiner werdende Strukturen, so abgefahren geometrisch, dass es einem schwindelig wird. Schriftbänder aus tiefblauer Keramik mit weißer Kalligraphie zitieren Suren des Koran. Das Portal ist schwindelig hoch und links und rechts ragen die ebenfalls blauen Minaretttürme in den Himmel. Das Portal öffnet sich hin zum Inneren der Moschee Anlage, die unter eine gewaltigen blaue Kuppel liegt, auf beiden Seiten gibt es Schulen, die Sommer- und die Winterschule – entsprechend der Schattenzeiten. Viel Schatten Sommer, und wenig im Winter.  Dazwischen Säulenhallen und – Gänge, Gärtchen und verwinkelte Durchgänge, plätschernde Brunnen. Die Gewölbe in den Säulenhallen sind kompliziert und vielfältig gemauert, das Licht fällt aus kleinen Dachluken in den Raum und die Kühle und die Teppiche laden ein, an einer Säule auszuruhen, die unterschiedlichen Perspektiven zwischen den Säulen zu bewundern, ein bisschen einzunicken. Es ist schon auch eine Qualität des Islam, dass die Moscheen nicht nur reine Gebetsstätten sind, sondern tatsächlich Orte der Begegnung sein können und so schlafen auch Menschen, rollen ein Eck des Teppichs auf und nehmen die so entstandene Rolle als Kopfkissen, junge Männer und würdige ergraute Herren liegen so verstreut über den Teppichboden, wie Kriegstote, aber sie schlummern nur und dämmern vor sich hin und es einfach nur so ungewohnt, in so einem sakralen Raum das profane Geräusch flatternder Gaumensegel zu hören. Schwer vorstellbar, in einer katholischen Kirche seinen Polster aus der Tasche zu ziehen und in einem Winkel unter dem Antlitz des Herrn ein Schläfchen zu halten. Das gäbe anständiges Theater. Natürlich gibt es auch Toiletten und  Waschräume und Reisenden können Schlafzimmer zugewiesen werden. In den weitläufigen Anlagen sitzen Gruppen von Jugendlichen zusammen, die Betenden lassen sich von dem Gemurmel so wenig stören, wie von Kindern, die über die Teppiche pesen und zwischen den Säulen verstecken und fangen spielen.

 

Unser Free Walking Tour Guide sieht eine Chance illegal und heimlich auf eines der Minarette zu schleichen, dazu müssen die Überwachungskameras ausgestöpselt werden, ein paar Aufpasser mal kurz nicht aufpassen, ein imposanter Schlüsselbund für eine winzige Holztür von einer Hosentasche in die andere wandern und das ganze ist mit ein bisschen Bakschisch durchaus zu bewerkstelligen. Das ist natürlich phänomenal, Verbotenes im Allerheiligsten klangt nach großem Spass, und es hat mich schon immer interessiert wie der Muezzin die schlanken Türme erklimmen kann, so eng sind sie. Jetzt also das Experiment durch illegale Eigenersteigung: Erstmal durch die unscheinbare Holztür huschen, die Wendeltreppenstufen führen auf das flache Dach der großen Halle, gebückt unter den Kameras vorbei und in einen Winkel gedrückt warten wir bis Hamed mit dem großen Schlüssel die Tür im Minarett geöffnet hat und dann rein ins Schwarze. Es ist so eng, dass die Schultern an den Wänden schaben und nach wenigen sehr steile Stufen ist auch das letzte Licht Von den Lehmziegeln geschluckt und in absoluter Dunkelheit drehen wir uns nach oben: Christine aus Barcelona, Nikko, ein Student aus Deutschland, Hamed und ich. Oben kann man durch eine Luke auf den hölzernen Balkon kriechen, ein geschnitztes Geländer, kühler Wind, weit unter uns der imposante Eingangsbogen, der gigantische Blick über den Platz mit seinen Bogengängen, dem Wasserspiel in der Mitte, all die Menschen, die sich hier treffen und später zum Fastenbrechen ihre Tücher und Kühlboxen zusammentragen und ausbreiten. Von oben sieht man herüber zum 6-stöckigen Königspalast mit viel Holzschnitzereien. Von dem großen Balkon aus konnte man den ganzen Platz überblicken, und früher wurde da Polo gespielt. Also Ehrentribüne, aber was für eine! Auf das gegenüberliegende Tor sieht man und die zweite Moschee am Platz. Vor allem aber sieht man in die Häuser, in die Innenhöfe und das Leben darin. immer eine spannende Sache für die neugierige Geistlichkeit. Und klar: keiner wohnte deshalb so gerne in direkter Nachbarschaft zum Minarett. Die Ablehnung ging so weit, dass zeitweise nur noch blinde Muezzine zum Einsatz kamen, aber da haben sich offensichtlich auf den steilen Stufen der Wendeltreppen zu viele totgeschmissen, dass man von dem schlauen Einfall wieder Abstand nehmen musste. Wir nutzen die Gelegenheit und diskutieren die aktuelle politische Situation, und Möglichkeiten das autoritäre System zu überwinden. Nikko, ein junger sehr angenehmer und schlauer Politologie (?) -Student, mit Schwerpunkt mittlerer Osten kann viel erklären und er äußert und begründet die Hoffnung, dass es gelingt unblutig in ein liberaleres Fahrwasser zu gelangen. Gleichzeitig ist die Gesellschaft zersplittert, es fehlt eine charismatische Leitfigur und die Gefahr wegen Aufmuckens eines unnatürlichen Todes zu sterben ist hoch. Selbst harmlose Umweltaktivisten finden sich im Straßengraben und nach Verkehrsunfall sieht es dann nicht aus. Eher Entsorgung. Die Gefahr ist groß, für alle, die ernsthaft Opposition machen und viele, mit denen ich sprechen konnte, hatten keine Ahnung, wie so ein Wechsel stattfinden kann. Kritik an den politischen Zuständen wird noch toleriert, unislamische Verhalten kann fatal enden und der Iran ist nicht zimperlich mit seinen Gefangenen.

 

Da hoch oben auf dem Minarett zu kauern, runter sehen, Blicke auf und über Isfahan, die Kuppeln und Innenhöfe, weiter im Süden der Fluss und die Brücken, das ist schon ein sehr einprägsamer Moment.

 

Einen Abend fahren wir in die Wüste, um Sterne anzusehen. Kein Licht von Städten, die Wüste ist nachts ja ein stockdunkles Loch. Ein junger Kroate will mit seiner Freundin ein bisschen Tourismus aufziehen und wir sind seine ersten Versuchskaninchen für die Astronomie-Veranstaltung. Der Weg in die Wüste zieht sich erst, aber sobald man die Randbereiche der Stadt hinter sich gelassen hat, kann man über die ganzen scharfkantigen Formationen und Bergketten staunen, namenlose Gipfel die Richtung Horizont in gelbem und rotem Dunst versinken. Die Sterne wollen wir auf dem Dach eines Wüstenschlosses ansehen: Innerhalb einer Mauer aus Lehmziegeln taucht man in ein kleines Labyrinth aus Innenhöfen, Kammern, schattigen Terrassen. Steile Treppen führen auf die Dächer von den darunterliegenden Räumen und Vorratskammern. Zeitgleich findet im Schloss auch eine Party eines iranischen Clans statt: Frauen und Männer tragen körbeweise Essen, eine Monster Anlage, Schnapsflaschen und Eis in einen der Innenhöfe, eine Lichtanlage wird installiert, die erste Takte aus den Lautsprechern geben einen Vorgeschmack auf den weiteren Verlauf des Abends. Feste, auf denen Männer und Frauen außerhalb geregelter Beziehungen zusammentreffen, sind hier im Iran strengstens verboten. Dann auch noch gemeinsam zu Tanzen ist aufs höchste unmoralisch und der Katalog an Strafen ist drakonisch. Diejenigen, die es sich leisten können, fahren deshalb zum Feiern in die Einsamkeit der Wüste. Fernab der Sittenwächter fallen die Hijabs und das Verbotskorsett und gefeiert wird laut und ausgelassen.

 

In Städten wie Tehran mieten sich junge Iraner Limousinen um sich von den Fahrern auf den großen Ringstraßen im Kreis fahren zu lassen – das Taxi kostet nicht viel und so ist man auch die leidige Suche nach privaten Plätzen los. Alleine die Sittenwächter haben das natürlich auch schon verstanden und bauen entsprechend Straßensperren auf, um zirkulierende Limousinen aus dem Verkehr zu ziehen. Was für ein Scheißregime, und was für eine weltfremde Illusion, so Moral und Gottesfurcht in die Köpfe der Bürger zu hämmern.

 

Die Nacht im Wüstenschloss wird laut und die Lichtanlage leuchtet schön den Nachthimmel aus – aber an sich finden wir die Party unten eh interessanter als die Sterne, die sind schon auch schön und die Wüste in der Nacht erfrischend, und ich kenn jetzt endlich ein paar Sternbilder mehr – aber das Spektakel im Innenhof, Tanz, Gelage und Gesang, da kann die Milchstraße nicht mithalten. Auch das ein persischer Moment.

 

Der Zahjandeh, der Isfahan in Donaubreite durchfließt, ist um diese Jahreszeit normalerweise schon trockengefallen und die berühmten Brücken überspannen ein staubiges Flussbett. Wegen der Sintflut in Südwesten, im Frühjahr und den anhaltenden Regenfällen haben wir Glück und mit uns die Bewohner die Stadt, die der Hitze in den schattigen Bögen und in den vielen Wasserläufen unter der Brücke entfliehen. Direkt hinter der Brücke kann man auf dem gepflasterten Boden durch den Fluss waten – angenehm kalt, rutschig und die Strömung reißt an den Wadeln – so machen sich Familien mit kreischenden Kindern und gackernden Mädchen und heldenhaften Knaben an die Durchschreitung. Ich bin mit zwei Studenten, Patrizia und Max, unterwegs, die in Baku ihr Erasmussemester verbracht haben, und nun über den Iran den Heimweg antreten. Wir müssen natürlich auch barfuss durch das Wasser, und unter den neugierigen Augen der Stadtjugend versuchen wir unter Wahrung von Haltung auf den glitschigen Steinen nicht den Halt zu verlieren und würdelos weggespült zu werden. Aber wir schlagen uns ganz gut, ein junger Herr bietet Patrizia die Hand – später ist es eher er der sich an ihrer Schulter festhält. Kontaktscheu sind die hier im Iran eh nicht, aber die Gelegenheit unter dem Vorwand der Flussquerung mit einer Touristin aus dem Westen Händchen zu halten ist in den Augen des Mannes sowas wie der Hauptgewinn. Leider überspannt er den Bogen dann ziemlich und die obligatorischen Selfies dokumentieren den unangenehmen Versuch auf Tuchfühlung zu gehen. Dieser ganze verkrampfte Umgang zwischen Jungs und Mädchen ist von vorne bis hinten ein kranker Scheiß.

 

Später am Abend machen wir einen Ausflug auf einen kleinen Gipfel, inklusive Seilbahn. Es ist ein Felsbrocken in der Wüste – ein paar Hundert Meter hoch, vereinzelt ein paar Sträucher, sonst Sand und gelber Stein – von da aus wollen wir den Sonnenuntergang ansehen. Nach der Bergstation geht es in Serpentinen auf einem Trampelpfad oder halt einfach irgendwie über die Steine nach oben – der Blick auf die dahinterliegenden Berge und die flache Wüste auf der anderen Seite, mit Isfahan und dem Fluss ist schon sagenhaft. Oben treffen wir ein paar andere Wanderer, einige sind über die fast senkrechte Wand heraufgeklettert, ungesichert, ein paar brüchige Seile hängen in der Wand: Klettersteig Marke iranian style, etwas für komplett furchtlose Gestalten. Wolken (Wolken!!!) hängen tief über den Bergen und statt Sonnenuntergangskitsch wird es grau und dunkel. Erst in dem Moment, in dem der letzte Berg sich vor die Sonne schiebt, tut sich ein Loch in der Wolkendecke auf und dann wird’s kurz mal ziemlich bunt am Himmel und drunter– Wolken, Berge, Wüste: alles rot. Sehr bilderbuchig schön und fabelhaft, sehr überraschend und nur ganz kurz. Mit dem Abtauchen der Sonne kommt plötzlich erst Wind und dann ein ausgewachsener Sturm auf. Die Gondeln schaukeln am Seil, wie die Kugeln am Christbaum wenn der Hund darunter tobt. Angst darf auch mal berechtigt sein, hoffentlich sitzt da jetzt keiner drinnen. Wir gehen aber eh zu Fuß und der Wind sandstrahlt Gesicht und Wadeln. Ein echter Wüstenmoment.

 

Und Yasd ist eine echte Wüstenstadt, da fahre wir nach 4 Tagen Isfahan hin. Enge Gassen zwischen hohen Lehmmauern, alles ist gelb und braun, ausgeblichene Holzstäbe ragen aus den Mauern, Türme mit komplizierten Windfängen ragen über die Häuser hinaus. Hier wird der leiseste Luftzug eingefangen und nach unten über kühles Wasser geleitet. Die so abgekühlte Luft gelangt dann in die Wohnbereiche der Sippen, die hier ihre traditionellen Häuser hinter Mauern um einen Innenhof gebaut haben.  Wasser wird über lange unterirdische Kanäle in die Stadt geleitet, und wieder einmal ist die Moschee der einzige Platz, der einen vor der ungnädigen Sonne in Schutz nimmt. Wie Zombies unter dem Brennglas wanken wir Ausländer durch die Hitze bis wir eine alte Moschee aus seljukischer Zeit gefunden haben, schlicht aber kunstvoll gemauert. Säulenhallen aus Lehmziegeln, Licht, das wie Fäden aus den hohen Dachluken auf die Teppiche fällt, endlich kühl und schattig. Sobald abends die Sonne weg ist, spürt man angenehm den kühlenden Wind, obwohl es um 9 Uhr abends noch über 30°C heiß ist. Um im Iran zu reisen, ist der Juni an sich schon zu spät im Jahr und meinem Papa setzt die Hitze zu so dass er das tut, was man vermutlich eh tun sollte: Nämlich die Tageshitze in einem Dämmerzustand wegpennen und die Aktivitäten auf die wenigen Morgen- und die langen Abendstunden zu verschieben.

 

Ich bin sehr stolz auf meine beiden Eltern und ich freu mich so sehr, dass wir die 10 Tage in Tehran, Isfahan und Yasd zusammen verbringen konnten. Es ist beileibe nicht selbstverständlich, dass sich zwei Senioren von ihrem Sohn in Hostels unterbringen und in abgetakelten Überlandbussen durch die Gegend schaukeln lassen. Die Abendteuer des Rucksacktourismus sind schon auch manchmal ein bisschen unkomfortabel. Ich seh ja, dass mein Papa ein bisschen mühsamer geht als vor einigen Jahren und ich werde mitleidender Zeuge was meine Mutter in wankenden Bussen durchmacht. Aber getrieben von Interesse und Neugier sind sie voll dabei, quatschen mit den jungen Reisenden, die in den Herbergen absteigen, lassen sich von den basalen Hygienestandards so wenig schrecken wie von den unterschiedlich guten Betten und dem teilweise skurrilen Serviceverständnis des Hostelpersonals. Der Papa freut sich in Ingenieurs-Erinnerungen über antik-persisch wasserbauliche Leistungen, für die Mama kann ein Portal nicht schmucklos genug sein, um sich nicht ausgiebig an kunstsinniger Photographie zu versuchen. Ich bekomme viel Anerkennendes zu hören, dass meine Eltern da noch so mitmachen und wir zu Dritt unterwegs sind. Dass Backpacker und Weltreisende, die meine Kinder, bzw meiner Eltern Enkel sein könnten die beiden ganz schön cool finden schmeichelt mir schon auch. Und mir geht’s genauso: ich find wir waren wirklich ziemlich lässig zusammen unterwegs.  

 

 

 

Skulpturenpark in Tehran. Der Park ist auf dem Geländer zweier ehemaliger Gefängnisse gebaut, beide heute Museen. Eines von beiden wurde von einem georgischen Architekten entworfen und war für seine Zeit einigermaßen modern. Nach der Folter durften die Gefangenen in einem kühlen Ort ausruhen und pro Zelle waren mehr als 8 Gefangene nicht zulässig. Das Gefängnis für politische Gefangene unter dem Schah Regime war weniger luxuriös. Das Museum gleichermaßen ein Propaganda-Museum. Dass es heute rechtsstaatich zugeht ist ein schlechter Witz. Die Skulpturen sind schön und an einem Wasserspiel  (Photo 3) halten Papa und ich uns lange auf, nachdem wir Wasserflaschen aus dem Müll gekramt haben und in der Museumstoilette mit Wasser befüllt haben. Wie die Kinder im Sandkasten.

so kennt man das, 1000 mal auf Photos gesehen und dann muss man es halt doch wieder und wieder abfotogrphieren, weil so toll ist: Letztes Photo: das ist das Minarett, da gehts gleich hoch

Minimalanarchistische Minarettbesteigung mit Blicken auf die Moschee, die privaten Gemächer der Stadtbevölkerung, den zentralen Platz mit Palast und sagenhafter VIP Lounge für die Polo-Spiele sowie gegenüberliegendes Minarett. Christina und Nikko und ich auf dem Balkon. Im Hintergrund des letzten Bildes der Berg, der dann auch noch bestiegen wurde.

Ausflug in die Wüste zum Sterne gucken

am Fluss und auf den Bergen. Neben den Moscheen die beiden anderen Möglichkeiten der Tageshitze zu entkommen. Das Abendrot hinter den Wolken dokumentiert vor allem die limitierten Möglichkeiten meiner Kamera - das war in der Tat ein Farb-Spektakel. Bild 3: Max und Patrizia. Baku-Erasmus Studenten: "Curiosity killed the Cat" war die Antwort auf die Frage warum gerade Baku. Aber das Bier sei billig.... die beiden haben viel gelacht wenn sie über Baku gesprochen haben.

Wüstenstadt Yasd. Wasser kommt über 100 kilometer-lange Kanalsysteme aus den Bergen, die Hitze ist betäubend. Auch Yasd ist eine Millionenstadt - aber kommt daher wie ein Dorf - und zwar ein konservatives. Wenn nachts nur noch die Hitze von den Häusern abstrahlt und auf den Dächern ein kleiner Wind weht, hält man es aus,  vorher kaum.

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Kommentare: 4
  • #1

    Helmut Hannus (Mittwoch, 19 Juni 2019 17:40)

    Welch ein Blog! Wie hast Du den geschafft in Hitze (Temperatur und Temperament) und radl fahren!
    Danke für die lobende Erwähnung der ehrwürdigen Alten - ich war manchmal wirklich recht geschlaucht und hab dann auch prompt die schöne Erfahrung in der Moschee im Bazar von Tehran versäumt.
    Zum Iran gibts ziemlich gute Beiträge bei der Bundeszentrale für Politische Bildung (www.bpb.de , besonders http://www.bpb.de/apuz/28502/die-beziehungen-zwischen-den-usa-und-iran-seit-1953?p=all&rl=0.8530966370236825). Und dass Du eine alte Beziehung zum Iran hast, hast Du wahrscheinlich vergessen: Deine Kinderwiegengefährtin Eva Rauschmaier war lange?? Jahre mit ihren Eltern in Busher beim Atomkraftwerkbau (Siemens, TÜV Bayern, am Ende dann Russland aber ohne Eva und Schah).
    Und tolle Bilder, besonders vom Minarett, danke. Macht Lust aufs wiederkommen samt Ferdowsi Grand Hotel, mabibi Hostel und Lotus Guesthouse in Shiraz uvam - im April?
    Dein Väterchen

  • #2

    Gülnaz (Sonntag, 23 Juni 2019 00:33)

    Mein lieber Radreisender,

    ich gebe deinem Vater Recht: Toller Blogeintrag!

    Die Darstellung der politischen Geschichte ist hilfreich und auch noch sehr spannend geschrieben - das gilt aber auch für die Beschreibung aller weiteren Reiseeindrücke.
    Für mich fühlt es sich fast ein so an, als wäre ich dabei gewesen und ich denke das liegt an der Kombination aus diesem Beitrag, deinen Schilderungen während unserer Telefonate und der Perspektive, die deine Eltern mit ihren Fotos und ihrer Sicht hinzugefügt haben. Danke :-).

    Einen kleinen Beitrag kann ich vielleicht auch leisten. Das persische Wort Gol ist meines Wissens der Ursprung des türkischen Wortes Gül und bedeutet Rose (nicht Blume) – das weiß ich aus erster Hand.
    Rose... Du weißt schon... riechen gut, sehen wunderschön aus und haben Dornen, die manchmal mächtig pieksen können (grins).
    :-*
    Gülnaz

  • #3

    Martina (Montag, 24 Juni 2019 10:59)

    Hallo Stefan.
    Sehr gerne schreibe ich ein paar Zeilen zu Isfahans Geschichte. Ich versuche mich kurz zu halten und nur die wichtigsten Daten zu nennen, obwohl ich seitenweise über Isfahan schreiben könnte.

    Die Geschichte Isfahans kann bis zur paläolithischen Zeit zurückdatiert werden. Bei archäologischen Ausgrabungen fand man Artefakte aus der Altsteinzeit sowie der mesolithischen, der neolithischen, der Bronze- und der Eisenzeit. Das alte Isfahan war Teil des Elamiten-Reiches (zwischen 3000 und 640 v. Chr).
    Historisch fassbar und bedeutend wird Isfahan unter dem Namen Aspadana als Hauptstadt der Provinz Oberpersien durch die Herrschaft der Meder (Median ca. 700 v. Chr. bis 550 v. Chr.).
    Anschließend wurde Isfahan Teil des achämenidischen Reiches, welches das erste persische Großreich (6.-4. Jhdt. v. Chr.) war.
    Um ca. 330 v. Chr. eroberte Alexander den Großen das persische Reich und Isfahan viel unter makedonische Herrschaft.
    Nach der Befreiung Persiens von der makedonischen Besetzung durch die Arsakiden (250 v. Chr. und 238 v. Chr.) wurde Isfahan Teil des Parther-Reiches. Das Partherreich endete mit der Machtübernahme der Sassaniden im Iran im frühen 3. Jahrhundert n. Chr. In der sassanidischen Ära wurde Isfahan von den so genannten Espoohrans oder den Mitgliedern der sieben adligen iranischen Familien regiert. Isfahan wird darüber hinaus zur Münzprägestätte und Garnisonsstadt.
    Im Jahr 643 n.Chr. wird die Stadt von den Muslimen erobert. Damit beginnt die islamische Geschichte Isfahans und ein Aufschwung, der die Stadt später zum Sitz der bedeutenden persischen Herrscherdynastien macht. Während der Herrschaft der Umayyaden und Abbasiden, in der Zeit vom 7. bis zum 10. Jh. n.Chr., wird Isfahan bekannt für seine Seide und seine Baumwolle durch den Handel über die Seidenstraße.
    Unter der Herrschaft von Malik Shah I., der Seldschuken Dynastie, wurde Isfahan dann schließlich im Jahr 1051 durch den Groß-Seldschuken Tughrul Beg erneut als Hauptstadt des westlichen Seldschuken-Reiches (= Persien und Irak) gewählt. Diesen Status behielt sie bis zur Teilung des Sultanats im Jahre 1118 n.Chr. inne. Ein neues, ein zweites goldenes Zeitalter zeichnete sich um diese Zeit ab. Die Stadt wurde zu einer der bedeutendsten urbanen Ansiedlungen der Welt und zog sogar berühmte Philosophen wie Avicenna (Ibn Sina) an.
    Mit dem 13. Jahrhundert kam Dschinghis Khan und mit den Mongolen kam die Zerstörung und die Massaker. 1387 n. Chr. schließlich fiel Isfahan dem türkisch-mongolischen Eroberer Timur Lenk (Tamerlan) zum Opfer. Unzählige Tote und starke Zerstörungen waren die Auswirkungen.
    Mit der Eroberung der Stadt durch die Safawiden im Jahr 1502 n.Chr. beginnt die größte Blütezeit der Stadt. 1598 n. Chr. wird Isfahan zur Hauptstadt des Safawiden Herrschers, Schah Abbas I. (1587-1629). Er schaffte es, ganz Persien wieder zu vereinen und sorgte für den Ausbau der Stadt durch Künstler und Handwerker, die er aus dem ganzen Land nach Isfahan holt. Sehr viele von ihnen kamen aus der Umgebung der Stadt Dschlfa (heute im Nordwesten des Iran an der Grenze zu Aserbaidschan) und waren christliche Armenier. In dieser Zeit entstehen die bis heute eindrucksvollen Prachtmoscheen mit ihren für die persischen Sakralbauten typischen großen Iwane (Bögen) rund um den Imam-Platz (vor der islamischen Revolution: Naqsch-e-Dschahan-Platz) im Zentrum der Stadt mit dem Ali Qapu Palast.
    Unter Shah Abbas I. wurde Isfahan auch nach außen hin für Fremde geöffnet, so dass die Stadt bald europäische Künstler, Diplomaten und Kaufleute begrüßen durfte. In dieser Zeit wurde Isfahan zu einer der bedeutensten Städte der Welt. Diese Blütezeit dauerte allerdings nur etwa 100 Jahre.
    1722 n. Chr. fällt Isfahan nach längerer Belagerung an die aufständischen sunnitischen Afghanen. Der größte Teil der Stadt wurde dabei zerstört.
    Unter den nachfolgenden Dynastien der Afscharen, Zand und Kadscharen verliert Isfahan seinen Hauptstadtstatus erst an Maschhad, dann an Schiraz. Im 18. Jahrhundert schließlich legte Aga Mohammed Khan die Hauptstadt nach Teheran. Die Bautätigkeiten wurden dadurch beendet, dennoch aber werden in der Folgezeit die Prachtbauten Isfahans erhalten und teilweise sogar noch ausgebaut.

  • #4

    stefan (Dienstag, 25 Juni 2019 19:37)

    liebe Martina, danke für die Einordnungen. Ich freu.mich bald meine weiteren Iranerlebnisse zu teilen. Www wird zunehmend schwer, aber hier in Buchara gehts ... Iran hat so eine fazettenreiche Geschichte.