Ins tibetische Hochland und zurück

Qinghai – Gansu – Sichuan

 

Das ist jetzt retrospektiv – an sich schon im letzten Blogbeitrag abgefrühstückt – aber den Anfang von dem hier folgenden hatte ich bereits geschrieben, bevor ich meine Abwesenheitsnotiz gepostet habe

 

Und so klang das:

 

Hier beginnt die letzte Etappe. China ist so riesig und in der verbleibenden Zeit ist es schlicht unmöglich nach Peking zu radeln. Die ursprünglichen und absolut unrealistischen Planungen sahen vor, an der Südseite der Wüste Gobi und unterhalb des tibetischen Hochplateaus 1500km auf endlosen und schnurgerade Autobahnen nach Osten zu fahren. Golmud, ein verschlafenes Nest, das an der Eisenbahnlinie nach Lhasa liegt, wäre der Ausgangspunkt, um über einsamste Straßen in den Südosten weiter zu radeln. Am Wohnzimmertisch mit den Füßen im Warmen erschien das irgendwie kühn aber auch durchaus machbar. Im Südosten liegt die Provinz Sichuan, die man als Mitteleuropäer am ehesten kulinarisch kennt: Wenn man bei uns chinesisch essen geht und es eher spicy will, ist es meistens ein Gericht aus Sichuan, das für seine Küche auch innerhalb Chinas berühmt ist. In Sichuan fällt das tibetische Plateau in das fruchtbare Becken ab, in dem die Hauptstadt der Provinz, Chengdu liegt. Zwei bekannte Straßen verbinden Lhasa mit Chengdu und auf eine der beide wollte ich von Norden kommend treffen, um dann nach Chengdu herunter zu radeln. Schöner Plan, dauert aber Monate. Außerdem haben es diese 1500km vorher durch die Wüste in sich: Sandstürme und eine feindselige Sonne, die einen für mehrere Stunden pro Tag in Tunnels zwingen – gewaltige Rohre, die das Schmelzwasser im Frühjahr abführen und dafür sorgen, dass nicht jedes Jahr die Autobahn in die Gobi gewaschen wird. In diesen Löchern kann man sich dann verkriechen, bis um 6 Uhr abends die Schatten lang werden und man weitere 3 Stunden durch die Wüste pedalieren darf. Nebenbei führen diese 1500km Wüste durch XinJiang: Gleichbedeutend mit endlosen Kontrollen und steter Überwachung, Gängelung und Willkür durch die Polizei. Das folgende Hochplateau ab Golmud ist endlos - … auf der Karte ist das ein verwegener Plan, kühn – jaja… - die Streckenwahl, ganz fabelhaft! und garantiert einsam. Was für eine Schnapsidee das ist merkt man, wenn man erstmal da ist.

 

In zwei Monaten ist das nicht durchführbar – und zunächst habe ich eh nur 31 Tage auf meinem Visum. Lässt sich aber verlängern, und zwar um genau einen Monat… aber bestimmt nicht in Golmud. Es gibt ein paar ausgesuchte Orte in China, die mit der Aufgabe betraut wurden, Visen zu verlängern und eine davon ist Xining, eine andere Chengdu. Des Weiteren gäbe es noch Hami, ein auf Millionenstärke aufgeblasenes Wüstendorf, das seine goldene Zeit hatte, als die Seidenstraße hier noch mit Kamelen bewandert wurde.  Die anderen abgezählten Orte sind unattraktiv weit im Osten oder Süden.

 

Xining ist die Hauptstadt der Provinz Qinghai in Zentralchina und schließt östlich an Xinjiang an. In Qinghai endet die Gobi, im Norden und Osten liegt Gansu wie eine Niere und im Süden beginnt Sichuan. All diese Provinzen erstrecken sich auch auf das tibetische Hochplateau und alle 3 Provinzen beherbergen eine Reihe von Minoritäten. In den Tälern leben viele Muslime, die ursprünglich bis aus dem fernen Samarkand eingewandert und hier sesshaft geworden sind. In den Bergen ist die Kultur konsequent tibetisch. Tibet ist sehr viel größer als die autonome Provinz, Xizhang, mit der Hauptstadt Lhasa: Riesenhafte Klöster und Zentren der tibetischen Kultur liegen auch außerhalb von Xizhang. Kumbum in der Nähe von Xining, Labrang in und Langmusi an der Grenze zu Gansu, sowie Aba, Garze und Dangba in Sichuan; das alles sind gewaltige Klösterstädte in den Bergen zwischen 2000 und 4000 Meter Höhe. Tausende Mönche leben in jedem dieser Klöster und die Kultur lebt hier weniger streng überwacht als in den großen Klöstern der autonomen Provinz: Sera, Drepung, Ganden, Tashilumpo, Sakya…

 

Der Plan also Folgender: Von Kashgar nach Xining mit dem Zug, in Xining das Visum verlängern, dann von Xining nach Süden radeln, bis ich in Chengdu sehe wieviel Zeit bleibt. Von Chengdu zumindest mal Richtung Peking dann nochmal mit dem Zug.

 

Auf der Karte schaut der letzte Schenkel meiner Radltour wie ein vereinsamter Nadelstich auf einer Tischdecke aus – und ich habe ein bisschen damit zu hadern. Ich radl eben nicht nach Peking. Ich radl nach China. Und dann fahr ich nach Peking und das Rad ist über die weiteste Strecke Gepäck. So hatte ich mir das ursprünglich nicht vorgestellt. Aber anders geht’s halt nicht. Weder habe ich 4 Monate Zeit, noch Lust auf diesen Wüsten-Irrsinn – auch der dicht besiedelt Osten, in dem sich komplett unbekannte Millionenstädte aneinanderreihen, ist nicht das absolute Radlerparadies. So isses jetzt. … und ich erfülle mir immerhin / zumindest einen langgehegten Plan, diesen Teil Tibets zu bereisen. Nadelstich hin oder her.

 

 

1.           Die letzten 10 Stunden im Zug stehend verbringen – dann endlich in Xining

 

 

Von Turfan - immer noch mitten in Xinjiang nehme ich den Schnellzug. 10h nach Xining, leider nur Sitzplatz bis Hami – die weiteren 8 Stunden dann stehend. Die Nacht vorher war ja auch nicht gerade erholsam und so ziehen sich die Stunden.

 

Ein 13-jähriges Mädchen, Emma, entdeckt mich als möglichen Gesprächspartner zum Englisch üben. Sie klagt über die Schule und die Taktung des Lebens – sie bleibt unter der Woche in der Schule und der Stundenplan entspricht dem Horrorstereotyp, das man von den chinesischen Drill-Akademien hat: Aufstehen und 30 Minuten zum Frühstücken, Schule bis um 17:00 und dann Hausaufgaben bis um 9 Uhr abends. Jede Woche ein Test in jedem Unterrichtsfach. Der Drill, dem die Kinder hier ausgesetzt sind, ist schon feindselig.

 

Emma bekommt deshalb so viel Raum in diesem Blog, weil sie sich mit 3 Sachen auseinandersetzt, die ich erwähnenswert finde, und entlarvend und wenig ermutigend: Erstens erzählt sie mir, dass sie Japaner hasst, nie einen Japaner kennenlernen will und zum Glück auch keinen kennt. „Ja warum?“ frage ich, aber das ist scheinheilig, weil ich ganz genau weiß warum: Genau! Ob ich denn die Geschichte nicht kennen würde? … doch, so gut weiß ich schon Bescheid, um zu wissen, dass die Japaner sich grausigst an der Zivilbevölkerung vergangen haben. Gerade als Deutscher kann man da schon Stellung nehmen – und das tue ich natürlich – Wiederhall allerdings bei der kleinen Emma gleich Null und sie bleibt dabei … Japaner sind einfach furchtbar, so sieht es aus! 

 

Und die aus Hongkong: die hassen die Chinesen aus dem Rest der Republik. Und sind gewalttätig und drum muss man vor denen Angst haben. Nach Hongkong kann sie nun leider nicht mehr fahren, es ist einfach zu gefährlich, lauter Kriminelle. In Xinjiang auch – das sind doch Muslime!

 

Das hat sich das Kind nicht selber zusammen getragen in einer langwierigen und profunden Recherche zur jüngeren Geschichte und den aktuellen politischen Verwerfungen herausdestilliert: Das hier ist das Echo der Propaganda-Maschinerie, die einem in der Schule den selbstständigen Meinungsbildungsprozess freundlicher Weise abnimmt und nun aus der Hirnschale eine Kindes herausschallt.

 

Als eine vernünftige Vorbeugemaßnahme zur Vermeidung von stumpfem Nationalismus gilt ja die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Das findet in China nicht statt – stumpfer Nationalismus aber durchaus schon. Dass die Demonstranten in Hongkong ihre Schlacht um den Erhalt ihrer verbrieften und versprochenen Freiheiten auf lange Sicht schon verloren haben, hat auch viel damit zu tun, dass 2 Milliarden Chinesen glauben, dass da unten im Süden kriminelle Banden die Proteste steuern. Und die Muslime schlafen eh mit der Axt unter dem Kopfkissen – messerwetzende Muselmanen. In der Tat müssen in Xinjiang die Messer beim Metzger angekettet sein. Vorsichtsmaßnahme. Nicht, dass ein Uigure in muslimischem Rauschzustand und religiöser Ektase mit dem großen Schächten der chinesischen Besatzungsmacht beginnt.

 

Unabhängig davon ist Emma ein sehr lustiges und liebes Kind. Wir tauschen unsere WeChat Kontakte aus und verabreden uns zum Panda gucken im Tierpark von Cheng Du. Sie fährt weiter nach Lanzhou – ich darf 2 Stunden vor ihr in Xining aus dem Zug wanken, mein Radtaschen-Gepäck in einem gigantischen Plastiksack ist höllisch schwer und so bequem zu tragen, wie ein Billardtisch. In dem super modernen Bahnhofsgebäude sind die Wege weit und ich verlaufe mich auf der Suche nach dem Taxistand – aber dann finde ich die Schlange, verfrachte mich in die sehr bequeme Sitzbank und zeige der Taxlerin die Adresse. Keine Diskussion über Fahrpreise, dank Taximeter und in dem durchdigitalisierten Land ist auch das Hostel schnell gefunden. Und hier will ich erstmal bleiben: Gemütlichkeit kann so einfach sein. Ein paar niedrige Tische, eine kleine Küche, ein Tresen, der sowohl als Rezeption (tagsüber) als auch als Bar (abends) fungiert. Ein paar freundliche Betreiber des Ladens, eine Liste für Takeaway- und Delivery-Services – heute bewege ich mich keinen Millimeter mehr aus dem Haus. Musik aus dem Westen, ein paar englische Titel im Bücherregal. Ein paar vereinzelte Ausländer zwischen den chinesischen Reisenden, die wenig überraschend die Küche belagern und gemeinsam Kochen, als würde eine Hochzeitsgesellschaft oder die Volksbefreiungsarmee verköstigt werden müssen.

 

In Xining hole ich an Tag 1 mein Rad ab – nichts ist einfach, aber am Ende geht alles irgendwie. Ich habe eine ungefähre Angabe wo die Ausgabe für Sperrgepäck ist – finde tatsächlich den Ort, nur ist da nicht die Gepäckausgabe. Macht aber nichts, weil irgendein Kollege in die Richtung fährt und mich schnell mitnimmt. In einer riesenhaften Halle steht es zwischen Türmen aus Paletten und Säcken klein und grün, an die Wand gelehnt. Immerhin schon mal das Rad!

 

 

2.           Jetzt Visum verlängern:

 

 

Dazu begibt man sich in die entsprechende Dienstelle der Behörde, antichambriert bis die Glastüren von einem niederen Wachmann aufgesperrt werden. Die Anwesenheit von weiterem Personal teilt sich durch dichten Qualm mit, der aus den angelehnten Büroräumen dringt; ein wenig später schlappt Beamter No 1 an einen Schreibplatz, die Kippe entspannt im Mundwinkel. Plakate, die das Rauchen mit empfindlichen Geldstrafen ahnden, hängen hier zwar flächendeckend, gelten aber möglicherweise nur für die Touristen, die hier rein müssen. Ich biete dem Beamten freundlich an, doch erst gemütlich zu Ende zu rauchen…. Wie ich feststelle leider ein schlechter Start in das Bewerbungsgespräch um 31 zusätzliche Tage.

 

„Passport!“ ranzt er mich an - dienstbeflissen lächle ich ihm das Dokument durch die Glasdurchreiche, aufgeschlagen, so dass er das Visum nicht erst lange herblättern muss

 

„Shave“ raunzt er. „WAS????“  - Soweit kommts noch. Und „NO!“ Sag ich, …. Da blickt er dann doch kurz auf! „Religion?“ fragt er, … „Nope“ antworte ich. Darauf er: „Shave!“

 

An sich bin ich nur hier, um zu erfragen welche Dokumente ich vorlegen muss, und das bekomme ich dann noch rausgeleiert: Ein Anschreiben in dem ich darlege, warum ich länger in diesem Land ausharren will, weiter eine Angabe zu den angesteuerten Punkten der Reise. Für den Primärantrag brauchte ich noch die gesamten Hotelbuchungen, alle brav von Groundcontrol Gigi in München reserviert und dann wieder storniert. Hier wird zum Glück zumindest auf die offiziellen Buchungsbestätigungen verzichtet, des Weiteren aktuelle Pass-Fotos. Und eine Bestätigung des Hotels in dem ich mich derzeit befinde, dafür gibt’s ein offizielles Formular. Einiges davon habe ich – einen Coiffeur, der sich auf das Kürzen von Bärten versteht, versuche ich zu finden, hier in dem Land der Unbebarteten, Kahlwangigen, Pinselhaarigen, Nacktmullen. Die Formulare nehme ich mit – Wiedersehen bis morgen.

 

Unrasiert erscheine ich am Folgetag – das mit dem Bart kann ich später auch noch machen (denke ich) und habe Glück, weil der unnachgiebige Amtsträger seinen freien Tag hat oder im Keller Akten umschichten muss – jedenfalls erscheint ein junges ausgeschlafenes Gesicht und nimmt meine zusammengetragenen Formulare entgegen. Dann muss ich ins Nebenzimmer wo ich fotografiert werde – und jetzt macht das mit dem Rasieren plötzlich Sinn: Das neue Foto muss in wesentlichen biometrischen Kenngrößen mit dem Scan aus dem Reisepass übereinstimmen – das macht ein Computer und der erkennt zunächst keine Ähnlichkeit zwischen dem blassen, etwas rundgesichtigen und  glattwangigen Sträflingsbild im Pass und den zwei Augen die aus dem Haarwust schauen. Es ist der Hartnäckigkeit des jungen Beamten geschuldet, dass ich nicht doch noch zum Barbier geschickt werde.  Hier ein bisschen die Haare gefeuchtet und aus der Stirn geleckt, hier den Bart ein bisschen ans Kinn gepresst – am Ende schluckt das Programm die beiden Bilder. Bearbeitungszeit zur Ausstellung der Verlängerung sind im Allgemeinen 5 Arbeitstage – es ist Dienstag – vor Montag habe ich keine Chance – Juhu! 8 Tage in der Weltmetropole Xining. Aber dann wird mir – große Überraschung - verkündet:  Morgen schon kann ich meine Visaverlängerung abholen. Meint er, erzählt mir, dass er kürzlich in Bonn war, dass ihm Deutschland so gut gefalle, dass er Bayern München super findet und: Viel Spaß in China! So also geht’s auch. China ist sooft beides – erst kompliziert und dann geht’s doch irgendwie überraschend einfach.

 

Jetzt muss ich doch schneller als erwartet aus der mir liebgewonnenen Hostelsicherheit ins große Ungewisse: Alleine in dem Riesenland – durch die Berge nach LinXia – 4 Tage, dann in zwei Tagen nach Xiahe in Gansu – dort das Kloster Labrang ansehen und in weitern 2 Tagen nach Langmusi. Eine weiter Klosterstadt, die dann schon in Sichuan liegt. Von da schau ich weiter – Ein Weg durch die Berge – an Klöstern entlang bis nach Chengdu – so der Plan.

 

Modernes Xining: Vor wenigen Jahren noch eine verschlafene Provinzhauptststadt hat hier inzwischen auch die Bauwut um sich gegriffen. Schön ist das alles nicht. Der Bahnhof ist ein modernes Riesending. Statuen illustrieren das euphemistische Bild der modernen chinesischen Gesellschaft: In Staats-vertrauender Gemeinschaft arbeiten die unterschiedlichen Minoritäten gemeinschaft zum Wohle der Republik und der Welt. Liebe, Kraft und Fleiß umspannen den Planeten. Bei der Entsorgung von Hunden war der Besitzer wohl unschlüssig: Restmüll oder Recycling?

Altes Xining: Essen und tibetischer Schnickschnack - aber schönes Zeug. Yi Jiao - Gegenwert von ungefähr einem Pfennig an die Tempelwand gepinnt. Die Erhörung von Wünschen durch Gottheiten kostet, aber eben auch nicht viel, wenn man nicht viel hat.

Gesangswettbewerb:

Eine Dame trällert in Ohrenbetäubender Lautstärke - ungerührt sitzt eine grau eingetuchte Jury rauchender Herren und vergibt Noten. Missmutig verfolgen Konkurrentinnen die Darbietung.

 

 

3.           Xining nach Langmusi:

 

 

Bis nach LinXia geht es durch die Berge, es ist feucht und geht direkt auf über 3300 Meter Höhe. Die Berge sind bis unter die Gipfelkuppe terrassiert – sehr kommod, wenn man sein Zelt eben aufstellen mag. Die Erde ist rot und schwerer Löss und fruchtbar. Die Wolken haben sich gehoben und das Abendlicht fällt auf das Mosaik aus Grün- und Gelbtönen. Dann zieht es zu und die erste Nacht endet in einer Schlammschlacht. Entnervt rolle ich morgens in strömendem Regen das schlammige Zelt zusammen – die Nacht darauf nehme ich mir ein Hotel um mich und das Zelt zu waschen und zu trocknen. In der Höhe und auf den Pässen wehen Gebetsfahnen, in den Tälern dazwischen dominieren die Moscheen und die Frauen tragen schwarze gehäkelte Topflappen auf dem Kopf. Kurz folge ich dem gelben Fluss an seinem Oberlauf, bevor er nach Norden abdreht und in Lanzhou zu einem breiten Strom wird. Hier oben gibt es steile Schluchten und kurvige Abfahrten, das terrassierte Land erstreckt sich bis an den Horizont. Nach 3 Tagen habe ich LinXia erreicht und fahre weiter nach Xiahe – dort liegt das Kloster Labrang, die größte Klosterstadt außerhalb der autonomen Provinz Tibet. Das Kloster Labrang ist die zentrale lamaistische Instanz im Amdo Gebiet. Hier entflammten 2008 die Aufstände gegen die chinesische Regierung, die bis heute aus chinesischer Regierungssicht die Militarisierung und Überwachung dieser Region rechtfertigen. In ursprünglich tibetischen Städten stellen Tibeter, bedingt durch die Siedlungspolitik der chinesischen Regierung, nur noch eine kleine Minderheit. Sie verlieren ihre Geschäfte und werden sozial und ökonomisch benachteiligt. War das der Grund für die Ausschreitungen? Hat man sich im chinesischen Olympia-Jahr größere öffentliche Resonanz erhofft? Stimmen die Gerüchte, dass im Vorfeld tibetische Mönche in chinesischer Gefangenschaft ums Leben kamen? War das ein organisiertes Aufbegehren? Spontan?

 

Falls sich die Tibeter etwas von der Unterstützung durch die internationale Öffentlichkeit versprochen haben, wurden sie jedenfalls kläglich enttäuscht. Die Regierung hat das bisschen Aufstand niedergebügelt, 28 Mönche wurden nach offiziellen Angaben in den Aufständen erschossen – über 200 entsprechend tibetischer Quellen. Ob die chinesische Seite Verluste hinnehmen musste ist unbekannt. Vermutlich nicht. In Folge wurde der Landstrich über Jahre von der Öffentlichkeit abgeriegelt – besuchen konnte man Amdo nicht. Bis heute, weil es an den Jahrestagen der Aufstände im März ein bisschen brodelt, macht die Regierung die Region im März und April dicht und für diese paar Wochen kann man nicht rein und nicht raus. Unabhängig von der unbestritten unseligen Siedlungspolitik, mit der die Minoritäten in ihren eigenen Städten marginalisiert werden, gab es auch Übergriffe auf Läden und Märkte der muslimischen Hui-Minorität, die in den tieferen Lagen des Landes beheimatet ist. Am Ende war es weniger ein Flächenbrand als ein keines vereinzeltes Zündeln – nichts aber was man sich in Peking lange ansieht: Da wird auch ein brennender Mülleimer mit einem Löschflugzeug bedacht. In Labrang probt nie wieder ein Mönchlein den Aufstand: Inzwischen ist Labrang stattdessen touristisch erschlossen, Mönche bewachen die Zugänge zur Klosterstadt, ein Tourist-Information-Center thront wie eine fette Kröte vor den Zugängen in das Kloster, Parkplätze säumen die Kora, den Rundgang mit den Gebetsmühlen. Die verschiedenen Institute und Klosterschulen, die Labrang beherbergt, sind nur mit Führern betretbar. Wie in Kumbum säumen Läden mit tibetischem Schnickschnack die Straßen in der Peripherie des Klosters.

 

Von Linxia ist es ein anstrengender Radltag nach Xiahe, eine viel befahrene Landstraße, Laster und hupende Überlandbusse kompetieren um die Straßenrambo-Meisterschale! – entsprechend mit Freuden verlässt man die Landstraße und biegt ab in das enge Tal, das kontinuierlich nach oben führt, um so den Lärm und den Verkehr hinter sich zu lassen. Stattdessen weites Grasland und satte Wiesen auf den Herden von Yaks grasen. So falsch kann man liegen: Neben der an sich sehr guten Landstraße, die nach Xiahe heraufführt wird gerade eine gigantische Autobahn in dieses Tal hineinbetoniert. Und das mit chinesischer Effizienz – alle 10 Kilometer eine talfüllende Betonfabrik, ein Hangar in dem Brückenteile gegossen werden – Kolonnen von Lastwagen bewegen den Abraum in abgelegene Täler, Bagger und Raupen bohren sich durch Berge, Krananlagen hieven die Betonträger auf die Säulen, die im gesamten grünen Tal in die Höhe schießen. Weiter hinten entsteht parallel eine Eisenbahntrasse. Ein Flughafen wurde vor wenigen Jahren in den Tiefen des Graslands eingeweiht – viel zu groß für den kleinen Touriflieger, der hier zweimal in der Woche ein paar reiche Chinesen an die wartenden Taxis übergibt. Fährt man hinter Xiahe weiter, stößt man auf weitere Bauaktivitäten – noch eine dieser gesichtslosen Trabantensiedlungen wird in die Höhe gezogen. Wer soll da wohnen?

 

Wandhi Khar ist das 6. Kind einer Nomadenfamilie, Yakhirten, die seit Generationen in den Hochtälern dieser Region herumziehen. Seine Geschwister haben nach wie vor ihre Herden, aber Wandhi wollte in die Stadt – Xiahe, damals nicht mehr als ein paar Häuser, die sich an die Klostermauern duckten. Als die ersten Touristen kamen, konnte er die Ausländer gegen gutes Geld durch die Weiten der Berge führen, Yurten Übernachtung und Yakmilchfrühstück inklusive. So lernte er auch eine Holländerin kennen, die Exkursionen in die Gegend begleitete. Um Englisch zu lernen ging er später nach Dharmsala, zurück in Xiahe heiratete er seine Clary, gemeinsam haben sie ein Kind und die Nomad Travel Agency sowie das Nirvana Hotel, dass er zusammen mit seinen Brüdern gebaut hat. Das Nirvana Hotel ist eine kleine Oase, hat günstige Dormzimmer und einen sehr engagierten Koch. 3 Tage wohne ich da und lass mir von Wandhi Tipps für die weitere Fahrt geben.

 

Wandhi sagt, diese ganzen Straßen, der Flughafen, die Bahnlinie, die Stadt: da werde die Soldaten wohnen, die Verkehrswege sind für die Mobilmachung und auf dem Flughafen können Geschwader der Volksbefreiungsarmee landen. Nicht kleckern! Klotzen

 

Und trotzdem ist Labrang großartig: Ich verbringe viel Zeit damit auf den Stufen zu sitzen und zu warten bis die Mönche neugierig werden und ihre Brocken Englisch ausprobieren wollen. Eine junge Frau begleitet mich um das Kloster und zeigt mir die Bilder die sie malt: Thankas, Gebetsbilder, Mandalas, Stationen des Lebens von Buddha, … mit einer Engelsgeduld werden mit feinsten Pinseln auf gewaltigen Leinwänden endlose Miniaturen gemalt. Bis zu 5 Jahre arbeiten die Profis an einem großen Thanka. Ich höre den jungen Mönchen zu, wie sie Üben, um ihren Messinghörner diese Klänge abzutrotzen – dröhnender Bass aus den großen Tröten, blecherne Höhen aus den kurzen – ein anhaltender Ton der an- und abschwillt und durch das Tal schalt. Eine Alte hakt sich ein und gemeinsam gehen wir an den Gebetsmühlen vorbei, sie ist so alt und krumm und froh, dass ich das mit dem Drehen übernehme. Der Glaube ist hier so integral und so tief verwurzelt. Auch die jungen schreiten eifrig und versunken die Kora ab, tragen traditionelle Röcke, Schürzen, einen Mantel und eine breite Schärpe. Die Jungs sehen aus, als wären sie einem MadMax Film entsprungen, wilde Frisur, die Haare mit Tüchern zusammengebunden, die Tücher übers Gesicht gezogen, Sonnenbrille, braungebrannt und hager. Und so lange sich ein Greis noch aus dem Bett herausgeschält bekommt, schleppt er sich an der Klostermauer entlang und murmelt sein endloses Omanipadmehum… Riesige Geier kreisen über den Gipfeln, die stehen hier gut im Futter weil sie integraler Bestandteil der tibetischen Bestattungskultur sind und in einem Kloster mit ein paar Tausend Mönchen schon ein paar Tote anfallen. Sky Burial heißt das. Kann man sich ansehen, hab ich mir gespart – ist aber ein anderes Thema.

 

Der Tourismus in Xiahe ist seit Jahren rückläufig. Ausländische Besucher waren nie der tragende Anteil – es sind schon die reisewütigen Chinesen, die ihr Land kennenlernen wollen – und zwar bequem und vom Bus aus. Aber mit dem wachsenden Wohlstand lockt die Karibik, San Francisco, Paris, Bali…. Wer will da nach Gansu? Vielleicht werden so die Karten neu gemischt? Und Xiahe fällt zurück in touristische Bedeutungslosigkeit? 

 

200km weiter im Süden wird das Gebirge wieder felsiger und Langmusi ist nach Kumbum und Labrang das 3. große Kloster, das ich ansehe: Langmusi ist in vielem das Gegenteil von Labrang. Die Stadt ist alt, ein bisschen heruntergekommen – zumindest Patina! und in weiten Teilen tibetisch, die Plattenbauten in der Peripherie blieben dem Ort erspart. Auch hier spürt man die Off Season und vieles ist schon eingemottet. Das Hostel, das ich ansteuere ist einigermaßen angeranzt und so etwas wie eine Küche gibt es gar nicht. Aber einen Haufen zusammengewürfelter Sofas und eine Liegefläche um einen niedrigen Tisch herum, hier pennt die einzige Angestellte der Unterkunft, was sonst könnte man hier machen? Es gibt einen Ofen, der mit Steinkohle beschickt wird, und so schlecht zieht, dass es für eine gute Stunde im Raum qualmt, wie damals in den Jurten, beim Jugendgruppen-Zelten – in den Jurten kann man ja auch theoretisch Feuer machen. Theoretisch! - Mit brennenden Augen und hustend haben wir damals versucht, das als sehr gelungenes Indianer-Feuer im Tipi einzuordnen. In Wirklichkeit natürlich eher Rauchvergiftung. Um malerisch zu sein ist es zu dreckig, aber was solls. Ich bin der einzige Gast und habe ein Dorm für mich. Nachts wird es giftig kalt – Langmusi ist deutlich über 3000 Meter hoch

 

Auch für das Langmusi Kloster kann man eine Eintrittskarte kaufen, aber kontrollieren tut hier keiner. Die Gebetsräume, Schulen und Institute des Klosters sind von frisch renoviert bis komplett heruntergekommen. Die engen Gassen zwischen den Gebäuden sind voller Schotter und Gerümpel und gerne kommt einem ein Pferd oder Yak entgegen oder ein Mönch scheißt gerade in die Ecke. Die Gebetsmühlen quietschen, alles riecht nach Yak Butter und eine Infrastruktur für Touristen sucht man vergeblich. Mit 4 Chinesen mache ich am zweiten Tag eine lange Tour in die Schlucht hinter dem Kloster. An diesem Tag entscheide ich, dass Chengdu nicht mein Ziel ist, sondern Peking. Langmusi bleibt damit der südlichste Punkt meiner Radstrecke in China und die Pandas sehe ich auch nicht… und weil jetzt die Zeit drängt, ich an sich auch keine Klöster mehr sehen muss und mich der neue Plan ein wenig elektrisiert, breche ich am nächsten Tag auf.  Abends feiern meine chinesischen Freunde mit dem Hostelpersonal: Karten und Würfelspiele mit Schnaps als Einsatz. Der Schnaps, Bai Jiu, wird aus einem 5 Liter Fässchen (!!!) mit einer Kelle in eine kleine Kanne gefüllt, aus der dann die Wassergläser bei zur Oberkant gefüllt werden. Die Regeln des Kartenspiels bleiben von mir undurchdrungen, alles andere ist international: Wer verliert trinkt. Als ich gehe sind alle reichlich bedient.  Am nächsten Tag ist der Frühstücksraum ein Ort der Verheerung. Die Wirtin liegt mit zerrissener Kleidung quer über das Sofa ausgestreckt – auf Höhe ihres Kopfes hat sich eine Pfütze am Boden gebildet. Quasi bitter saure Nudeln vom Vorabend. Müll, Kippen, Steinkohlebriketts, Chips, Bierflaschen… ein Idyll! Ich leg das Geld auf den Tresen und schiebe mein Rad leise in den kühlen Morgen.

 

Bilder vom wolkenverhangenen Weg nach Süden, in Xiahe und dem Kloster Labrang wird es dann endlich sonnig. Der Weg war trotzdem schön und der erste Blick auf den gelben Fluss etwas sehr besonderes. Neben den großen Klösterstädten kommt man auch immer wieder an kleinen Tempeln und Klöstern vorbei - die sind hier in der Gegend so häufig wie in Bayern die Kirchen mit Zwiebeltürmen. In diesen kleinen Anlagen komme ich schnell in Kontakt mit den Mönchen und Kindern, die in ihren roten Roben Fussball spielen und zwiwschen den Mauern und in den Gassen Verstecken spielen. So schnell man in Kontakt kommt, so schnell dann auch sprachlich an seine Grenzen. Und es bleibt beim freundlichen Lächeln und ein paar Floskeln auf chinesisch. Labrang ist eine  Kloster Großstadt - Da könnte man beliebig lange bleiben und immer wieder Neues entdecken - unter anderem auch Schilder die - leider nötig - darauf hinweisen, dass man nicht einfach auf die Straße scheissen darf. Interessiert hier so wenig, wie das Rauchverbot.

 

 

4.           Der Weg zurück:

 

 

Um nach Peking zu kommen geht es erstmal zurück nach Norden – auf dem Weg in meine Lieblingsstadt LinXia komme ich durch Hezuo, ein Ex-Nest, das inzwischen auch zu Millionenstärke aufgeblasen wurde. Nach Xiahe und Langmusi, sowie ein paar Nächten im Zelt freu ich mich über die großstädtische Anmutungen mit weichen Betten und frischer Bettwäsche, heißer Dusche und Badetüchern, … am anderen Ende der Stadt gibt es noch einmal ein tibetisches Kloster und ich nehme das als Gelegenheit mich hier in Ruhe ein bisschen Abschied nehmen zu können von der Kultur, den jungen Mönchen – Kindern, die mit fliegenden roten Mönchskinderkutten Fußball spielen, dem ranzigen Buttergeruch der Kerzen in den düsteren Gebetshallen, den Dächern, dem Gemurmel, den Gebetsmühlen. Die Freundlichkeit der Tibeter ist entwaffnend. Und wenn sie dir noch so sehr auf den Leib rücken, mit ihrer Neugier und Distanzlosigkeit, dann lachen sie dich an, und was willst Du dann groß genervt sein.

 

Im Hotel – schon so eine Wohlstandsverschanzung, geeignet das schmutzige Elend aus den Augen und dem Hirn zu verbannen, tiefflorige Teppiche, lautlose Lifte mit internationalem Musikgesäusel, … und überall, auch im Aufzug, die Schilder mit der strengen Verwarnung nicht zu rauchen! Kostet! Geld! Rauchverbot!!!! – so verloren der Posten auch ist, die chinesische Behörde für Volksgesundheit hat Sorge um seine Schäfchen, … an diesem Schild gelehnt, entspannt, ein braungebrannter Tibeter, sorglos sein Kippchen schmauchend – aus dem Aufzug dringt der Rauch wie Schwelbrand. Und ich schau genervt, deute auf das Plakat und frage ob das nicht zumindest im Aufzug kurz unterbleiben könnte???? Jetzt echt, oder? Bitte: „Müsst ihr echt ÜBERALL rauchen?“. Der Tibeter schaut verwirrt: „was faselt der weiße Mann?“ Aber dann geht ein Licht der Erkenntnis auf, er lacht freundlich, kramt in den tiefen seiner ausgeleierten Klamotten und zaubert eine verknitterte Schachtel Kippen hervor, und offeriert mir eine seiner Zigaretten mit dem freundlichsten Lächeln. Entwaffnend! – wir müssen beide lachen, … Die Anti-Rauchkampagne in Hezuo jedenfalls tritt noch auf der Stelle!

 

 

5.           Von Linxia nach Lanzhou und weiter nach Baiyin.

 

 

Hinter Lanzhou, einer Megametrapole am Gelben Fluß versenke ich mich in einer Baustelle. Die allgegenwärtige Bautätigkeit verwandelt mickrige Provinzwege landesweit in 4 spurige Expressways – die einen dürfen mit dem Rad nicht befahren werden, die anderen sind nicht mehr zu erreichen, weil zB. ein Brückenbaustelle unüberwindbar ist, und manchmal ist es einfach aktiver Straßenbau – Schlamm, dampfender Asphalt, Schlaglöcher, … Hinter Lanzhou verbringe ich so zwei Stunden und schiebe mein Rad durch die tiefen Pfützen, die der Regen der letzten Tage in den Spuren der Laster hinterlassen hat. Mein Taschen, die Schaltung, ich – alles klebt und tropft und in meinen Schuhen gurgelt der Morast.

 

Später kann ich mein Rad dann auf die frisch asphaltierte Rennbahn schieben die Lanzhou mit dem Hinterland verbinden wird, noch fährt hier kein Auto und ich habe eine Autobahn für mich. Auf dem Weg nach Lanzhou wurden die grünen Berge wieder rot und braun und wo nicht bewässert wird, ist es kahle Erde und Fels, die von Erosion tief zerfurcht eine wilde zerklüftete Kulisse bildet. Nebel zieht tief durch die Schluchten, die Gipfel sind in Wolken. Nördlich des Gelben Flusses wird es trockener, die Sonne kommt raus und plötzlich ist es wieder heiß – so viel Sonne und Wärme hatte ich das letzte Mal in Osh. Die Berge laufen aus – zuletzt sind es Hügel – wie erstarrte Dünen, pinseliges Gras und ein paar Büsche. Zwischen den Hügeln, die sich bis an den Horizont erstrecken haben die Bauern fleißig Terrassen eingezogen, Felder kleiner als ein Schwimmbecken, Mais und Getreide, Obstgärten. Alles sehr malerisch, alles nicht sehr spektakulär. Ich merke zudem wie langsam das Ende der Reise und Peking eine spürbare Gravitation entwickeln – ich will jetzt auch ankommen. Gleichzeitig ist die verbleibende Strecke zu lange um sie so runterzustrampeln – im Augenzuunddurch Modus: Ich versuche ab jetzt jeden Tag etwas zu erleben. Bewusst! Das was die Landschaft vielleicht weniger an großartigen Gemarkungen hergibt, Wasserfälle, Felswände, Gebirge, Küsten und Auenlandschaften, dafür müssen jetzt Erfahrungen und Erlebnisse herhalten. Und wenn ich mich bislang immer nicht getraut habe zu fragen, ob ich mir beispielsweise zeigen lassen könnte, wie man so großartig diese Nudeln macht, davon ausgehend, dass man mich eh nicht in die Küche lässt - …. Dann werde ich jetzt genau das tun: Fragen, ob ich es bitte auch mal versuchen darf.

 

 

6.           Nudeln machen

 

 

Dem Vernehmen nach haben ja nicht die Italiener die Nudeln erfunden, sondern Marco Polo hat das Rezept aus China mitgebracht. Und in den nordwestlichen Provinzen wird Chao Mian oder La Mian an jeder Straßenecke angeboten, kleine Verschläge, 4 Wackeltischchen und ein paar Hockern, ein großer Kessel mit kochendem Wasser, ein Topf mit Brühe und geschnittenes, gekochtes Fleisch – Hammel, Ochse, Yak, Ziege – je nachdem wo man ist – dazu Gemüse und Kräuter.

 

Die Nudeln – und das kann hier jeder Koch im Schlaf – werden aus einer Rolle Teig in wenigen Sekunden gezogen. Eine Walze wird kurz in Mehl gerollt und zwischen den Händen auf Armbreite langgezogen. Es ist die Konsistenz des Teigs und die richtige Kraft und Geschwindigkeit beim Ziehen, dass die Teigrolle dabei nicht reißt. Jetzt hat man genau eine fette Nudel, Länge ungefähr 1 Meter. 1 Meter Nudel jetzt kurz ins Mehl gefedert, in der Mitte geteilt, gezogen, 2 Nudeln, nochmal dasselbe und es sind 4, dann 8, 16, 32 Nudeln – die sind jetzt schon dünner als Makkaroni – aber noch 2 mal wird geteilt und gezogen. Zwischen jeder Verdoppelung schwingen die Nudeln waagrecht über dem Tisch und tauchen federnd kurz ins Mehl ein – so verkleben sie nicht, … und es ist bizarr wie schnell das geht und wie gleichmäßig und dünn die Nudeln jetzt auf dem Tisch liegen. Die Teig-Enden, an denen die Hände die Nudeln gefasst haben, werden abgeschnitten, der Haufen in den Kessel mit kochendem Wasser geschmissen. Das Ganze ist in weniger als einer Minute geschehen und während die Schale mit Brühe, ein paar Scheiben Fleisch, Gemüse und Kräutern beschickt wird, sind die Nudeln auch schon gar – mit einem großen Sieb werden sie aus dem Kessel gefischt – hinein in die Suppe, fertig. Das will ich auch können. Und tapfer frage ich in der ersten Suppenbude, in der ich meine Schale Mittagessen bestelle.

 

Koch grunzt etwas unverständlich und deutet auf die Kühltruhe. Ich kapiers nicht – was jetzt? Aber dann langt er halt selber in den Eisschrank, gibt mit ein Kilo Teig (Wasser, Salz, 4 Eier und Mehl), deutet auf das Knoblauch Wasser, mit dem der Teig geschmeidig wird – und lässt mich probieren. Wenig überraschend ist es schwerer als es aussieht – die Nudeln reißen, sehen aus wie Spätzle, und nach 3 mal teilen habe ich ein paar abgerissene Teigwürste in beiden Händen. Nochmal kneten, Knoblauchwasser auf die Finger, kneten, bis der Teig geschmeidig ist und nochmal - …. Betreut werde ich nicht, aber das ist schon OK – nach einer halben Stunde habe ich das erste Mal in 5 Schritten einigermaßen gleichmäßige Nudeln gezogen, ein paar Würschtel hängen abgerissen aus der Hand – ich schwinge die Nudeln ein bisschen in das Mehl – das sind bestimmt 30 Nudeln und jede  länger als irgendein Spaghetti, dass man im Laden kaufen kann – das reicht für mich – den Rest perfektioniere ich zu hause. Der Koch schaut gelangweilt auf mein Kunstwerk, knetet meine Nudeln zurück in den Teig im Kühlschrank. Am ehesten bin ich wohl selbst beeindruckt von meinem Nudelerfolg. Aber bitteschön: Zwischen Lanzhou und Baiyin: Nudeln gemacht! 

 

 

7.           Portraitiert werden

 

 

Der Gelbe Fluß, Huang He, schiebt sich durch die trockene Steppe nach Norden, bis fast an die mongolische Grenze. Ich folge dem Fluß, auch ich muss ja zurück in den Norden. Hinter Baiyin hat der Huang He eine steile Wand ausgeschliffen, ein paar Hundert Meter geht es fast senkrecht von einem Plateau runter zum Flussufer. Die Steilwand selbst ist von vielen Canyons und Flussläufen sowie von Erosion durch Wind (viel) und Regen (wenig) zerklüftet und ausgewaschen. So führen mehrere kleine steile Canyons in die Felswand hinein und  in den Berg, der Sandstein bildet die wildesten Formen und es stehen da imposante Säulen und Tore und zerklüftete Wände … abends leuchtet das in allen Rot du beige-Tönen, wenn die Sonne tief steht und die langen Schatten der Felsen malen sehr plastische Fratzen und Gestalten in die Landschaft. Sowas nennen die chinesischen Architekten der Tourismus Branche einen „AAAA National Scenic Spot of Natural Beauty“ - 4-mal das A, das ist die Traumnote! Mehr wird kaum vergeben.

 

Da wo Traumnoten vergeben werden, hat die Tourismus Behörde nicht geschlafen, sondern den Ort geziert mit Visitor Center, Great Ticket Hall, Parking Area, Amusement District, Shopping Center, Vista Points, Public Garden, Restaurant und einer gewaltigen Public Toilet. Das alles ist noch vor den Toren zum eigentlichen spektakulären AAAA Scenic Spot. Von dem wird man getrennt durch eine impermeable Grenzanlage, Schranken, Glashäuschen, Videoüberwachung und links und rechts Zaun und Mauern…  Hatte ich also noch geträumt von einem einsamen Camp zwischen Steinsäulen, ähnlich wie in der sächsischen Schweiz – dann musste ich hier meine Vorstellungen anpassen. Das Betreten alleine – nicht inbegriffen die diversen Vergnüglichkeiten (Rafting on Traditional Yellow River Raft, Canyon Tour in Donkey Cart, Traditional Fish Dishes, Transport down to River and up to Vista Platform, ….. Helicopter Flight 20 min etc etc …) – kostet zum Glück nur 5 Dollar, und ich rausche mit dem Rad die steilste und engest Serpentinenstraße der gesamten Reise runter und versuche den Gedanken zu verdrängen, dass ich da in wenigen Stunden wieder rauf muss. Allein die Switchbacks waren das Geld wert! Unten erwarten einen die angekündigten Restaurants und Eselkarren, Golf-E-Wägelchen und Busbahnhof, mit denen die Touristen die Serpentinen wieder hochgeschnauft werden. Aber man kann die Merchandise-Hölle auch schnell verlassen – ich radle zu einem der Canyons und lasse mich schlucken von der Wand – plötzlich bin ich weit weg von allem, oben ziehen die Wolken über den engen Ausschnitt vom Himmel zwischen den Felswänden. So still ist es hier. Die Steinsäulen sind riesenhaft. Ein paar Esel müssen kettenrauchende Chinesen den Canyon entlang ziehen, ein paar motorisierte Dreirad-Lasten-Transporter fahren Melonen hin und her – aber der Canyon ist lang und groß und die wenigen Fahrzeuge stören kein bisschen den Eindruck dieses Steinwalds. Und selbstverständlich wird man gefragt – wo man herkommt, wie lange man unterwegs ist, wie lange schon China, woher man chinesisch kann (wovon in der Tat nicht gesprochen werden kann) und für die Rudel-mentalen Chinesen die wesentlichste Frage: wo denn meine Freunde sein? Allein unterwegs zu sein ist schwer vorstellbar.

 

Man könnte hier vermutlich viele Stunden verbringen, die Nebentäler erkunden und vielleicht würde man einen sagenhaften Zeltplatz finden, aber ich muss ja am nächsten Tag weiter, will nicht den kommenden Morgen mit einem steilen Serpentinen-Inferno beginnen und habe irgendwie auch Hunger und werde deshalb oben campen und vielleicht ein Süppchen kochen.  Also raufradeln. Nicht schlimm. Das hab ich inzwischen echt in den Beinen. Oben komme ich dann mit den Besitzerinnen von so klassischen Ramsch Standerln ins Gespräch (gekühlte Getränke, Sonnen-Hüte, Halstücher, Zigaretten) – und weil sie gerade was gekocht haben bekomme ich auch was ab: Scharf fettig heiß. Und ich darf meine ganze Batterie von E-Geräten aufladen und neben Hüten und Halstüchern verkaufen sie auch Eis aus einer Kühltruhe, … in der dann zum Glück auch noch ein paar Büchsen Bier sind…   

 

Die Parkverwaltung hat mir erlaubt mein Zelt oben an der Klippe aufzubauen (mit Blick über die ganze Schleife des Flusses, tags drauf in der Früh dann im Morgenlicht), aber erst wenn die Touris abgezogen sind - so habe ich Zeit und radebreche mit meinem fragmentösen Chinesisch vor mich hin. Dann gesellen sich 3 weitere Besucher zum Standerl – die haben mich offenbar schon unten bequatscht und ich werde begrüßt wie ein alter Bekannter. Die 3 müssen auch auf irgendwas warten – ich teile mein Essen mit der Frau, bekomme im Gegenzug Joghurt mit Erdbeergeschmack. Der Typ fragt ob er mich portraitieren darf, zaubert Kohle du Papier aus einer Mappe und während ich versuche zu verstehen, was seine Frau mir berichtet - sie wohnen in Xian und was???? … chinesisch ist so schwer und ich kann so wenig. Egal: Irgendwie ist es lustig, die Sonne geht unter, der letzte Bus füllt sich mit den letzten versprengten Besuchern des AAAA national Scenic Spots und abendliche Ruhe senkt sich über den Vergnügungsbereich. Ich soll erklären was ich mache und kann das inzwischen auch schon brav aufsagen – die beiden sind wirklich Künstler: Sie zeigt mir auf ihren Handy Arbeiten und ich bin tatsächlich platt: So schönes Zeug – klassische Motive – Ein Spatz am Brunnen, Bambus, ein paar Blüten und eine Zikade… und Weiden über einem Fluss, darunter ein kleines Boot – mit ein paar nassen Pinselstrichen und Tusche auf Reispapier. Ich find sowas ja super: ein paar Schriftzeichen Kaligraphie, ein roter Stempel mit dem Namen. Sie heißt Hong Wei – ein revolutionärer Name: Da weiß man auch in welche Zeit sie hineingeboren wurde. Ich will das Bild nicht haben, wie bitte soll ich eine Kohleskizze mit mir herumtransportieren – aber ich fotografiere es:  Andenken an einen super Tag in einem überraschend schönen AAAA national Scenic Spot.

 

Grasslands mit Yaks - sowie einer Chinesin, die mit Blumenstrauß eigentümlich tänzerische Bewegungen vollführt, Photoshooting mit dem Ehemann - hier Moment kurzer Erschöpfung. In einem Bach haben sich Geier niedergelassen - nicht grundlos, die verwesenden Überreste eines Schafs locken mit Kadavergestank. Später zelte ich neben einer picknickenden tibetischen Großfamilie und habe einen lusigen Abend, weil ein Mädchen ein bisschen Englisch kann und ein älterer Tibeter eine sehr eindeutige Zeichensprache bemüht um mir zu erzählen was er von den Chinesen hält. In Hezuo verbschiede ich mich fürs erste von tibetischen Klöstern.

so wirds gemacht - eine eigenen Bemühungen wurden zurecht nicht dokumentarisch gewürdigt

so super - ganz anders als erwartet. Aber so schön. Ein echter Höhepunkt meiner Chinaetappe. Belohnungs-Finisher-Kohleskizze

8.           Guzhang spielen und einen taoistischen Tempel entdecken

 

 

Einen Tag später bin ich in Zhongwei.  Wieder eine große Stadt, und weil hier ein weiterer Hotspot nationalen Amüsements verortet ist – Shaputou: Wüste trifft Gelben Fluß trifft große Mauer – ist die Stadt entsprechend belebt, ich komme nach längerem Suchen nur in einem Hotel unter: dem Rizz, … ist das jetzt was Edles? Ich zahl irgendwas um die 30 Dollar für eine Nacht und bekomme ein gewaltig großes Zimmer, Dusche … alles weitläufig und tiefe Teppiche… mir ist sowas tatsächlich ziemlich wurscht. Vielmehr ärgert mich die chinesische Unart nur ein paar ausgesuchte Hotels für Ausländer zugänglich zu machen. Und natürlich sieht man das den Hotels von außen nicht an – oft wissen selbst die Rezeptionisten nicht, ob sie Ausländer aufnehmen dürfen (Dann meistens nicht). Booking und andere Portale ignorieren dieses Kriterium. Und viele Hotels haben auch keinen Bock. Das Anmelden eines Ausländers für eine Nacht ist vor allem viel Aufwand – innerhalb von 24h muss man einen kompletten Report bei der Polizei abgeben: Pass, Visum, Woher kommt er – letztes Hotel, wohin will er – nächstes Hotel. … da lassen dich gerade die billigeren Hotels auch gerne mal abblitzen. Am Ende also das Rizz in Zhongwei und in Europa könnte ich mir so einen Schuppen eh nie leisten.

 

Und weil mein Radl von den letzten Tagen noch so viel Dreck mit sich rumschleppt und die Dusche so ein weitläufiges Zauberreich ist, beschließe ich mit meinem Rad zu duschen - wann bitte macht man sowas schon mal? Nackend und hingebungsvoll den Rahmen einschäumen sowie den Dreck aus Lanzhou aus den Pedalen bürsteln. Erst sich selbst und dann die Ausfallenden gewissenhaft abschrubben und die Umwerfer vorne und hinten von all dem Sand und Schlamm befreien? Beim Abtrocknen wird ein kleines Handtuch dann doch recht Kettenschmieren-Schwarz. Am Ende werde ich 20 Yuan Reinigungsgebühr für ein kleines Handtucherl zahlen müssen – aber das wars mir wert.

 

Shaputou, ein weiterer AAAA Scenic Spot – der Außenwelt so unbekannt wie eine Lemurenspezies aus Madagaskar - ist in China ein wahres Besucher-Mekka. Neben meinem großen Hotel ist eine ganze Straße dem abendlichen großen Fressen gewidmet. Eine standardisierte Speisekarte macht es dem Besucher leicht – egal wo man sich hinsetzt – man bekommt überall dasselbe!

 

Sogar eine internationale Misswahl wird plakatiert: Die Miss Tourist 2019 wird hier in Zhongwei gekürt. Was bitteschön ist die Miss Tourist? Die schönste Reisende unter der Sonne? Sowas wie bei uns die Weinkönigin? Da wäre man doch gern dabei! Leider gibt es nicht den Mister Tourist als Wettbewerb, dann könnte ich da als Quereinsteiger ungewaschen und zerzaust aufschlagen. 

 

Zunächst aber erwandere ich einen Palast und eine Pagode, beide an den Ufern des ewigen Gelben Flusses gelegen. Der Weg führt an den so typischen überbreiten chinesischen Boulevards vorbei – für was bauen die eigentlich Flughäfen? Auf jeder Kreuzung kann man einen Jumbo bequem landen und parkieren. Irgendwann öffnet sich die Straße in angrenzende Grünflächen, in Reih und Glied steht die Pappel, weniger ist das ein Park als das Ergebnis eines staatsverordneten Aufforstungsprogramms. Baum an Baum. Dann eine letzte Straße, dann der Palast: Nix isses mit historischer Bausubstanz, wieder einer dieser elenden Vergnügungsparks, im Regen etwas trostlos, ein arretiertes Riesenrad, eigenartige zwiebelförmige Monumente in blau und auf einer Plattform kann man den Fluss in seiner Gemächlichkeit bewundern. 

 

 

Auf dem Weg  - entlang an endlosen Baumreihen sowie weitgehend unbefahrenen Asphaltkilometern und stereotypen Häuserblöcken dringen überraschend Klänge eines chinesischen Musikinstruments - Die Gu Zheng ist ein Saiteninstrument. Ein rechteckiger Klangkörper ist überspannt von Saiten in pentatonischer Stimmung, die Saiten sind jeweils geteilt durch einen Steg, auf der einen Seite wird die Saite gezupft, auf der anderen legt man die Finger auf die Saite und drückt – verändert so die Spannung und entsprechend den Ton. Im Ergebnis, sehr asiatisch, gleichzeitig auch für westliche Ohren angenehm, die Saiten klingen ein bisschen wie Harfe, die Musik kommt dicht verwoben, sehr stimmungsvoll, und wenn ich je ein Instrument hätte lernen wollen in China, dann nicht die Pipa, eine Art Laute, und nicht die Erhu, eine Kniegeige, … sondern Gu Zheng, wegen dem verträumten Klang.

 

In dem Laden werden Instrumente verkauft, vor allem aber unterrichtet die Verkäuferin an den Instrumenten und eine Schülerin darf mir ein bisschen was vorspielen, bis die Lehrerin die künstlichen Nägel an die Finger montiert hat und dann ein bisschen für uns konzertiert, die Schülerin, deren Mutter und mich. Was für ein steriles Ambiente: Draußen vor der Tür herrscht der chinesische Architekturbrutalismus, in den Läden hätte man bestenfalls Großhändler für Druckerpatronen erwartet und die Büros der Hausverwaltungen, die diese Silos betreuen. Aber dieser kleine Laden ist wie eine Blumenwiese im Häusermeer und ich schweige andächtig und höre, wie die Guzheng den Raum füllt. Dann darf ich selber üben – die Lehrerin zeigt mir, wie ich die Saiten anschlage und mit der anderen Hand die Spannung verändere.  Und vielleicht weil mir das so viel Spaß macht fühlt sich die Lehrerin bemüßigt, mir eine knappe Stunde lang ein paar einfache Übungen zu zeigen die ich brav übe, … am Ende klingt eine eigentümliche koordinierte Melodie aus dem Instrument. Wie schön. Dann hat sich auch dieser Weg durch die Betonwüste rentiert.  

 

 

Auch architektonisch bekommt Zhongwei noch eine Chance denke ich mir – knappe 10 Kilometer bin ich an den Ausfallstraßen entlanggewandert um diese belanglose Schleife des Gelben Fluß zu begutachten – auch die chinesischen Touristen ignorieren diesen wenig spektakulären Scenic Spot – und zurecht wird hier kein A vergeben. Und das will was heißen. In der Stadt selbst aber ist noch ein taoistischer Tempel – quasi zwei Blöcke neben meinem Hotel, den geb´ ich mir noch, denk ich mir – und wenn das auch einer dieser chinesischen Fallen ist, dann ist die Messe gelesen: Zhongwei, du großmäuliges Geschmeiß an Kackstadt! Auf dem Weg zum Tempel geht dann endlich das Unwetter los, wegen dem ich hier ein bisschen vor Anker gegangen bin. Tags darauf soll der Regen Richtung Osten abgezogen sein und trockenen Reifens würde die Fahrt dann nach Wuhai fortgesetzt werden. So die Planung – zumindest schifft es schonmal aus Kübeln und alles was auf der Straße unterwegs war, rückt zusammen unter Vordächer und die kleinen runden Pagoden und Regenschirme. Ich hab mich in den Tempel gerettet und versuche mich an kunstvollen Aufnahmen von Regen, der auf Steinstufen fällt -  in der Peripherie unscharf die Umrisse der Tempelmauern, ganz große Kunst also und es fällt mir eine chinesische Fotografin auf, ein Kameramonster um den Hals hängen wie ein Mühlstein und befasst mit demselben Motiv. Und so fällt es leicht eine kleine Unterhaltung anzuzetteln – ob es ihr denn besser gelänge, die Szene aufzunehmen – leider spricht sie eher noch weniger Englisch als ich Chinesisch, oder hat anders als ich doch noch Resthemmungen in babelhafter Wirrnis Gespräche zu bestreiten. Aber tatsächlich ist sie Fotografin, Profi, arbeitet für die staatliche Nachrichten Agentur XinHua, heißt Ann … hier ist sie um einen Wettbewerb zu dokumentieren. Es handelt sich um die Wahl der Miss Tourist 2019. Da schau her!

 

Ihre Kollegen finden das offenbar spannend, dass da ein Ausländer mit einer der Ihren spricht – um uns herum klicken die Auslöser, und am Ende tauschen wir unsere WeChat Kontakte aus. Ihr Kollege will sie am nächsten Morgen begleiten, er interviewt mich ein bisschen, sie macht die Fotos vor dem Hotel, Stefan mit Rad auf dem Weg nach China. Top Story für ein nicht mal ganz kleines Online Magazin. Ich will tags darauf eh weiter – das Wetter soll besser werden, noch regnet es ergiebig.

 

Am nächsten Morgen schifft es aber leider und entgegen der Vorhersage in Strömen. Ungewöhnlich für die Gegend und die Jahreszeit. Hier herrscht an sich wüstenhafte Trockenheit. Aber weil der Regen so schlimm ist, die Wolken schwarz über der Stadt hängen und die Autos mit Lichtern durch die überfluteten Straßen pflügen, ist kein Taxi aufzutreiben. Ann schreibt wie leid es ihr tut – ich müsste nicht warten, aber sie versuchen weiter ein Taxi zu organisieren, sie sind 8km weiter im Süden der Stadt untergebracht – das ist direkt am Zugang des nationalen AAAA Mega-Spot Shaputou. Im Regen, denke ich mir, wäre Shaputou vielleicht sogar ganz lustig und bestimmt weniger überlaufen - Und ich schreib Ann, dass ich dann einfach zu ihr hinfahre, mit dem Rad ist das kein großer Umweg und nass werde ich eh. Was tut man nicht alles um in der chinesischen Klatschpresse zu landen. Und dann strampele ich los Richtung Süden. In den Regen, Shapuou, Presse und Fototermin – ich komme…

 

 

9.         Im Regen aus Zhongwei rausradeln und trocken in Yinchuan ankommen.

 

 

(Versuch eines literarischen Kunstgriffs, No1: der Zeitsprung!)

Später, gegen Mittag, sitze ich alleine in einem Bus – neben mir singt der Busfahrer fröhlich ein Liedchen während der Regen an die Windschutzscheibe prasselt. Das Rad tropft neben mir, in meinen Schuhen gurgelt das Wasser. Ich saß auf dem Rad, der Regen ging nieder wie im Kino, vor mir 100 Kilometer einsamer Straßen durch die Randlagen von Gansu – Grenzland zur Nachbarprovinz NingXia – einem armen und verlassenen Landstrich. Viel Ackerbau, niedrige Verkehrsdichte. Das Wasser lief aus dem Nacken über den Rücken durch die Hosen in die Schuhe, von unten spritzen die Pfützen entgegen – komplette Durchweichung! Aber ich hatte gute Laune – so sehr habe ich mich gefreut später denn Gülnaz am Telefon die Erlebnisse vom Vormittag zu berichten, später, wenn in Deutschland der Tag anbricht: Was für ein absurdes Theater, so seltsam und halb zwischen peinlich und lustig. So eine lustige Geschichte - da wird sie lachen....

 

Und während ich so durch den Regen fahre auf einsamster Straße, alle 10 Minuten mal ein versprengter Laster, hält ein Bus neben mir – und ich denk mir schon: Jetzt halten selbst Busse schon um mich zu fotografieren, … aber bevor ich blöd reagieren kann, hält der Fahrer den Kopf aus dem Fenster in den Wolkenbruch und fragt ob ich irgendein bestimmtes Ziel hätte (oder nur zum Spaß hier durch die Pisse radel?) Er fährt nach YinChuan – da wollte ich eigentlich erst in 2 Tagen sein – aber wenn ich es mir so überlege: Im Norden ist das Wetter besser und nach spontaner Abtrocknung sieht es nicht aus – 60km habe ich schon gehaxelt – da kann ich mir auch eine verlängerte Mittagspause im Bus gönnen. In 3 Stunden wäre er in YinChuan- Hauptstadt von NingXia und ich wäre ein gutes Stück weiter, raus aus der Nässe, fürs erste.

 

Nach 'ner halben Stunde fährt er rechts ran und wir essen zusammen eine Hühnersuppe – mit ganzem Huhn, Kopf und Bürzel und Füße – alles da. Ob ich nicht auch so 'nen Fuß probieren möchte? Aber da bin ich noch zu schwach. Dazu gibt es heißes Nudelwasser – eine trübe Suppe mit wenig Eigengeschmack, aber mir ist es kalt: Suppe, Huhn und Nudelwasser-Tee, gerade ist es super – der Fahrer lässt meine Proteste nicht gelten, ich bin eingeladen. Hilft kein Gezeter, ist natürlich nett, aber zumindest verkauft irgendein Mütterchen am Ausgang Honig und ich kann zumindest noch einen Topf als Gegengeschenk mitnehmen. Unter großem Widerstand wird zumindest der Honig am Ende angenommen. Die nächste Stunde regnet es wie gestört und ich bin jetzt doch heilfroh nicht durch die Überschwemmung zu schwimmen. Je näher wir YinChuan kommen, desto dünner wird die Wolkendecke, die letzten 50 Kilometer schabt der Scheibenwischer die trockene Windschutzscheibe und als ich kurz vor 3 an einer Ausfahrt an die frische Luft entlassen werde, sind die Straßen bereits abgetrocknet, ein paar Pfützen zeugen von den Güssen, aber in den kommenden Kilometern kann ich den begonnen Trocknungsprozess mit ein bisschen Fahrtwind unterstützen.

 

YinChuan – von hier aus sind es noch gute 60km an einen See, ShaHu – Sandsee. Vor dem Hintergrund ein paar kleinerer Bergzüge hat sich eine gewaltige Düne aus der Wüste in den See geschoben. Es führen kaum Straßen hin und ich freu mich auf eine Nacht unter den Sternen über der Wüste, irgendwo wird es einen kleinen Flecken Gras geben, um mein Zelt aufzuschlagen. Das ganze Gebiet hier ist so verlassen – und wenn man ganz ehrlich ist, auch nicht so wahnsinnig schön – es ist vor allem flach und viele Seen und Teiche und Tümpel bilden ein ausgedehntes Feuchtbiotop. Vögel würden sich hier wohlfühlen, Karpfen und Lurche, Frösche … und Mosquitos.  Am Horizont rauchen die Schlote der Kraftwerke. Zumindest der touristische Trubel von Zhongwei scheint Lichtjahre entfernt und so radel ich in den Abend, inzwischen trocken und gut gelaunt, die Straße führt auf das Nordufer des Sees zu. Das Navi indiziert ein paar Häuser in einer nahen Ortschaft und vielleicht bekomme ich da was zu essen und kann mir das Kochen sparen? Ich könnte falscher nicht liegen:

 

Schon auf die letzten 10 Kilometer beginne ich ein gewaltiges Gebäude zu erahnen, und je näher ich komme, desto weniger Zweifel lassen die wachsenden Silhouetten vor dem abendlichen Himmel. Wo vor wenigen Jahren vielleicht noch ein von den touristischen Strömen bestenfalls gestriffenes Kleinod war, haben die Architekten der touristischen Ausbeutung ihr gesamtes Portfolio an Vergnüglichkeiten aus der Tasche gezaubert. Ein meterhoher Zaun umgibt inzwischen den See, der Eingangsbereich ist mit digitalen Schranken gesichert, … ein Bahnhofs-großes Besucherzentrum liegt wie ein gestrandetes Ufo zwischen Straße und See. Hier muss man sich mit den notwendigen Tickets ausstatten, um den See zumindest mal sehen zu dürfen. Der Komplex aus Museum und Besucherzentrum, den Zugangssicherheitsschleusen und diversen Ladenzeilen ist eingefriedet in einen kleinen Park. Hier darf ich mein Zelt aufschlagen. Während ich mein Lager herrichte, gesellt sich ein Nachtwächter zu mir und beginnt mir in unverständlichster Sprache Dinge zu berichten, die ich nicht hören will – so viel kapier ich jedenfalls, dass es hier als Delikatesse einen breitmauligen Karpfen gibt, dessen Kopf mit Tomaten gefüllt in Suppe gegessen wird – das sei eine ganz besondere Spezialität – und ich sollte geschwind in die anliegenden Restaurants eilen um mir meinen abendlichen Fischkopf zuzuführen. Als wenn es nichts anderes gäbe auf dieser Welt als die ewige Fresserei. Nein – kein Breitmaulkarpfenfischkopf für mich. Ich hätte gerne einen Blick auf diesen verschissenen See geworfen, aber zwischen mir und diesem einen kurzen Blick steht monolithisch das neue touristische Konzept der Volksrepublik: Jeder auch nur halbwegs attraktive Winkel wird zugebaut und verschandelt, eingezäunt, mit einem Gütesiegel in Form von irgendwelchen multimeren A´s versehen um dann den Besucher empfindlich zur Kasse zu bitten. Der Nachtwächter ist hartnäckig: Er bietet sich als Touristenführer an – für 30 Dollar, wir könnten uns ein schnelle Elektroboot leisten, auf die Düne gäbe es einen Sessellift, und ein Restaurant – da gäbe es den breitmauligen Karpfen – eine ganz ausgesuchte Spezialität…. Bitte!!!! Lass mich in Frieden. Ich koch mir ein bisschen was zu Essen, der Nachtwächter umkreist mich, gesprächslauernd. Es ist Nacht geworden, die ganze Anlage leuchtet in allen neonbunten Farben, …. Der Parkplatz ist leer, auch in den Häuserzeilen mit den Restaurants in denen die elenden Fische enthauptet werden, gehen langsam die Lichter aus. Nur für mich und den Nachtwächter fährt der Freizeitpark am Sandsee seine Lightshow hoch, dass du denkst: Oktoberfest.

 

(Versuch eines literarischen Kunstgriffs No2: die Rückblende)

Und jetzt endlich werde ich die Gülnaz anfunken und ihr erzählen, wie lustig das war heute früh! Was für ein Tag:

 

Ich lieg also im Zelt, Gülnaz kann mich über so eine magische billig-Telefonnumer anrufen  und dann beginne ich zu erzählen:

 

 

Da komme ich also mit dem Rad nassgepritschelt und durchweicht angeschlotzt, nach wenigen Kilometern durchweicht und eingesaut, weil aber leider auch das Shaputou einer dieser höllischen national Scenic Spots mit nicht weniger als 4 A´s ist, ist hier ein Parkplatz für Millionen, diverse Schranken, ein Central Plaza, eine Tourist Wellcome Center, …. Wo in Gottes Namen soll ich jetzt die Ann treffen? Das alles hier ist so groß wie das verdammte olympische Dorf in München inklusive Stadien und Fernsehturm, ….

 

Aber dann, wie eine Erscheinung von einem fremden Stern werde ich eines schwer aufgetakelten Häufchens glitzernder Frauen gewahr, das in gewagter Abendgarderobe der zunehmend widrigen Witterung trotzt. Schimmernde Cocktailkleidchen, Miniröckchen in Rosa unter einem wehende Schleier, ein transparentes Abendkleid und phantasievolle Entwürfe aus Tüll, Netz, …. Während nasse Windböen in das Grüppchen fahren, wie die Pest ins Mittelalter. Regenschirme flattern im Sturm. Ein paar dunkelhäutige Gestalten stehen bibbernd unter einem Vordach, umringt von einem Platoon von Fotografen. Vor einem auf „Asia“ getrimmten Brückchen ist so etwas wie eine Bühne aus glitschigen Holzbrettern zusammengezimmert, da soll wahrscheinlich auf und ab paradiert werden.

 

Hier findet gerade der Miss Tourist 2019 Wettbewerb statt.

 

Wer hat den armen Dingern eigentlich diese Kostüme aufs Auge gedrückt? Für den heutigen Tag wäre eher Camouflage und Kampfanzug angesagt – oder Tauchausrüstung. Oder Ölzeug. Aber das ist schon eher die Faschingskiste. Ich bleib in der Peripherie stehen und warte … irgendwo hier muss ja auch Ann und ihr Kollege herumspringen. Und inzwischen haben sich auch ein paar der Schönheiten aus dem internationalen Wettbewerb bei mir eingefunden – fragen wo ich herkomme – so viele Ausländer habe ich schon lange nicht mehr gesehen: Eine Miss aus Polen und eine aus Moldawien, Weißrussland und der Slowakei…. - Osteuropa schonmal komplett eingetroffen. Eine Dame aus UK und eine tatsächlich aus den Staaten, Brasilien, Kenia und Namibia… dazwischen eine größere Gruppe Chinesinnen. Zumindest was die Fraktion aus Europa anbelangt befürchte ich, dass der Moment jugendlicher Blüte  - sagen wir – äh: zurückliegt. Wer einen Modelvertrag für Pradaguccichanneldior hat, muss sich halt auch nicht in Zentralchina in die Saukälte stellen, um gegen die eh schon im Vorfeld gesetzten chinesischen Gewinnerinnen anzustinken. Und was diese armen Geschöpfe zu tragen genötigt werden ist schon tatsächlich ebenso phantasievoll, wie der eben in China häufig der getragene Look. Aber so viel haben die Würdenträger dann schon geschnallt, dass kurz, knapp, geschlitzt, durchsichtig, eng, glitzrig und vor allem hochhackig besser ist als auf bequem geschnittene Säcke aus Trainingsanzugsmaterialen. Und so stehen die Damen hier rum: Das alles ist bemüht, gezwungen, … ein unsinniges Theater. International??? Lachhaft! Als wenn hier ein dunkelhäutiges Mädchen das Gesicht des chinesischen Tourismus werden würde? Das wird schön brav eine gutaussehende Chinesin. Aber der Wettergott bestraft die Hybris mit endlosen Wolkenbrüchen.

 

Inzwischen haben natürlich die Fotografen auch mich entdeckt, und finden das irgendwie klasse wie so ein Radfahrer  - also ein echter Tourist – mit den sehr offensichtlichen Nicht-Touristinnen plaudert. Das einzig Gemeinsame ist der Grad der Durchnässung. Meine nassen Haare hat der Wind zu einem pomadigen Seitenscheitel geblasen, Dreck klebt an meinen Beinen, das T-Shirt hängt halb aus der Hose und mit der Regenjacke leuchte ich wie ein Verkehrshelfer. Außerdem bin ich ungefähr einen halben Meter kleiner als zumindest mal die osteuropäischen Gewächse – die mit ihren hohen Hacken bestimmt alle im Bereich eins-neunzig herumstolzieren und zum Reden zu mir runtertauchen.

 

 

Anstelle meines Interviews zum Themenbereich: Reisen von Europa nach China! Eventuell mit der Möglichkeit eine Lanze für Rücksichtnahme im Straßenverkehr zu brechen, oder Umweltschutz … bin ich plötzlich ein Accessoire für das ein bisschen im Davonschwimmen befindliche Shooting. 

 

 

Ann taucht auch endlich am Bildrand auf. Sie begrüßt mich kurz, aber dann soll ich schnell mit meinem Rad diese blöde Brücke runterfahren. Die Mädchen … also „Mädchen“ – das sind alles erwachsene Frauen, jünger als 20 ist hier bestimmt keine. – jedenfalls – schäm schäm schäm – soll ich diese blöde Brücke runterfahren und die Damen sollen dann so blöd winken. Was für eine einfallslose Szene. Was in Gottesnamen haben 20 aufgebrezelte Diven einem eingesauten Knacker auf dem Rad zuzuwinken? Und warum sollte man da mitmachen? Wäre es nicht vielmehr angemessen gewesen, der ganzen Crew den Vogel zu zeigen? Diese Frauen gehören ins Warme, Tee in die Hand, Badetuch um die Schultern und Moonboots statt dieser idiotischen Stelzen. Warum überhaupt muss man Tourismus im Abendkleid verkaufen? Wer geht bitteschön mit einem Paillettenmini und Plateau-Stiefeletten in die Düne? Wie scheiße-durchsichtig ist das? Drum: Faust in den Himmel und gegen die Objektifizierung der Frauen andemonstriert! Peinlichster rückständiger Chauvinismus. Nicht mit mir!  Auf dem Stiefelabsatz kehrt gemacht, den Wohlgeruch kreuzgerader Überzeugungen hinterlassend, die Flamme des Widerstands entzündet. ….

 

 

So hätte ich das vielleicht machen sollen - Vielleicht hätte ich dann mehr Erfolg gehabt mit meiner Geschichte, als ich sie abends endlich zum Besten geben durfte. Vielleicht hätte eine gestrenge Gülnaz dann ein kurzes zustimmendes Lachen und anerkennende Worte für mich gehabt, ein wenig Applaus und gemeinsam hätten wir uns über die Absurdität der Situation gefreut, und die Peinlichkeit. Stattdessen höre ich ein kleines Räuspern im indignierten Schweigen – und irgendwie bin ich gerade nicht so ansteckend mit meiner guten Laune wie erhofft. „Und da hast Du mitgemacht?“ fragt mich Gülnaz. Ich befürchte ja, das habe ich!

 

Und ich gestehe, dass ich versäumt habe, die Faust in den Himmel zu recken und mit der Fahne von Gender-Awareness und soziopolitischem Bewusstsein hab ich auch nicht gewedelt. Ich hab keine Moonboots verteilt sondern bin tatsächlich artig lächelnd mit meinem Rad an einem Spalier frierender Ivankas und Dorotas entlang gefahren, hab zwischen den Wiederholungen ein paar Selfies mit der vermutlich ältesten Nixe am Platz gemacht, eine nette Kenianerin kennengelernt, die in Nairobi auf dem Bau arbeitet und sich um Häuserfassaden kümmert. Aber ich fands tatsächlich lustig – albern, blöd, halb peinlich, aber mehr für die Veranstalter als für die anderen Beteiligten und tatsächlich ziemlich lustig. Und soviel weiß ich jetzt auch: So ganz glamourös ist das Leben eines Modells nicht immer.

 

Später hatte dann Ann und ihr Kollege doch noch Zeit, aber weil das mit deren Englisch und meinem Chinesisch zu schwierig war, haben wir das Interview digital über WeChat und die dort implementierte Übersetzungsfunktion abgewickelt. Den Artikel würde man mir vorlegen, hieß es – ich müsste ihn absegnen, dann könnte er veröffentlicht werden. Das hat natürlich nicht stattgefunden. Das Ergebnis ist ein bisschen erschütternd: Es geht um irgendeinen alten Onkel – kein Witz: das bin ich! Und in angemessener Demut veröffentliche ich hier das beschämende Ergebnis meiner Bemühungen um öffentliche Wahrnehmung unzensiert und in voller Länge:

 

 

Damit endet dieser etwas ausgeuferte Blog – und ich fahr weiter in den Norden. Komme nach NingXia und die innere Mongolei, folge der Straße tiefster Trostlosigkeit, komme zurück in die Berge, … bis nach Peking ist es noch ein langer Weg. Jetzt aber erstmal die schonungslose, ungeschminkte und originale Direktübersetzung, wie sie der chinesischen Leserschaft vorgelegt wurde. Bitteschön:

 

 

On the morning of September 9, 2019, the rainstorm in the Shapotou Scenic Area in Zhongwei, Ningxia, was raining. The beautiful ladies from all over the country were attracted by the crowds. One of the foreign uncles also took out the mobile phone and took photos with the players. group photo.

 

After talking, the uncle was named Stefan Hannus, from Munich, Germany. He is 51 years old and has two daughters. He started from Germany in mid-January this year and lasted for more than 8 months. Riding to China, arrived in Zhongwei yesterday. Via Austria, Italy, Slovenia, Croatia,  Montenegro, Albania, Greece, Turkey, Georgia, Armenia, Iran, Turkmenistan, Uzbekistan, Tajikistan, Kyrgyzstan, then enter Xinjiang, China, take the train from Kashgar to Xining, then from Xining Riding  all the way to Ningxia.

 

"I am going to Beijing!" Stephen smiled and talked about his relationship with Beijing. It turned out that he and his two brothers came to China with their parents in 1984. He also studied at the High School Attached to the National People's Congress. "That time is very beautiful, I miss it very much." Stephen said, "My brothers and I went to Xinjiang. I have traveled to Tibet, but after leaving China in 1987, I have never returned, although I have been to many Asian countries." "I am engaged in biotechnology research in Germany. I have been working very hard for the past 10 years. One day, I feel that I should give myself a long vacation and adjust my body and mind.

 

So, I have the idea to go back to Beijing. Now, I am not far from Beijing. If everything goes well, I hope that I will be in the future. I can go to Beijing in the week."

 

When asked why he chose to ride a bicycle, Stephen said: "The idea of riding for 1 year is my dream. The speed of the bicycle is fast enough to let you go a long way, and there is enough time for you not to I missed life along the way. I like this slow travel, which makes me feel more different winds, landscapes and life. Of course, this is also very environmentally friendly and is a low-carbon life."

 

Schöner hätte ich es auch nicht sagen können!

 

 

 

Traurige Fisch-Schicksale am Sha Hu: Enthauptungen und Bestattung in Tomaten

Bike Bonding: Sich mal Zeit nehmen füreinander! Ein gemeinsames Bad nimmt Spannungen aus der Beziehung

GuCheng und Lotus - eine sehr chinesische Kombi

Versuche kunstvoller Fotographie: Da experimentiert jemand am selben Motiv herum . An Feifei

Bitteschön: eine Auswahl von Annfeifei´s Bildern des denkwürdigen Shootings.

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Gestrenge Gülnaz (Sonntag, 29 September 2019 11:04)

    Wenn mir Jemand anders über diese Miss-Wahl-Episode erzählt hätte, wäre ich vermutlich weniger erstaunt gewesen. Jemand mit weniger Meinung zu den Dingen des Lebens, der eher mal denkt „…mei – ist halt so, war immer so, kann man nix machen...“.
    Aaaber – ich muss zugeben, dass ich es schon auch lustig finde…und sehr skurril und irgendwie auch surreal. Hat mich an die allerersten Computerspiele erinnert, die ich vor langer Zeit als Teenie mit meinem Bruder spielte: "Hitchiker's Guide through the Galaxy", keine Grafik, alles wurde beschrieben - von der Szenerie bis zu den Aufgaben, die zu erfüllen waren. Ich glaube da gab es ähnlich skurille Szenen, wie Miss-Wahlen auf einem Planeten XY...Ich muss mal meinen Bruder befragen...

    Dass eine Miss-Wahl eigentlich nicht zu den großen Errungenschaften der Gleichstellung gehört, hast du ja umfassen erörtert – ich könnte das nicht besser.
    Manchmal schreibt das Leben tatsächlich die besten Drehbücher: Wie gekonnt und ironisch inszeniert ist denn bitte die Szene: Du wirst auf einmal selber ein wenig zum Objekt der zum Objekt Degradierten und gleichzeitig ist das auch genau der Twist, der die Geschichte eben nicht zu einer Peinlichkeit verkommen lässt. Großartig!!

    Deshalb, mein Lieber Miss-Wahlen-Veredler: gut gemacht, tolles Erlebnis und sensationell lustig erzählt. Es wäre ein Verlust, wenn dieses Erlebnis nicht erlebt und die Geschichte dazu nicht erzählt worden wäre.

    Und noch was…nie nie nie werde ich den Moment vergessen, als meine liebe Kollegin Jerene die Überschrift übersetzte…etwas zögernd und mit einem Grinsen auf dem Gesicht: „…that’s basically the old uncle they are talking about…but that’s how we call older people in China, not meant to be disrespectful.“.
    So long, dicken Kuß von der alten Tante ;-)

    Gülnaz, die Gestrenge
    (wäre ein super Beiname im Osmanischen Reich geworden - gleich nach Fatih Sultan Mehmed, dem Eroberer, Süleyman, dem Prächtigen und Selim II, dem Trunkenbold).

  • #2

    Hen Lao Ha (Montag, 30 September 2019 18:57)

    Ach ja, Shaputou!
    das war ursprünglich eine echte Forschungsstation zum Bekämpfen der Ausbreitung der Wüste (tangri da shamu). Als Lao He und ich und Ulla und Gerd Kiemann dort waren, gabs schon eine Touristenunterkunft und ein Bäuerlein bot Kameltouren zur Großen Mauer in der Wüste an- na ja wenigsten ein Stück des Wegs.
    Die Brücke über den Gelben Fluss gabs natürlich noch nicht aber eine Flussüberfahrt und am andern Ufer eine burgartige Touristenattraktionsruine. Oben auf der Düne schnauften Güterzüge, doppelt bespannt mit Dampfloks.
    So ändern sich Zeiten und Umstände - zum Schönen, oder?
    Alles Gute in Beijing und weiter!!

  • #3

    Lips (Montag, 30 September 2019 20:12)

    Andra moi enepe mousa....
    Auf deinem Portrait siehst Du wie Odysseus aus. Der war zwar angeblich 10 Jahre unterwegs und Du "nur"10 Monate, aber streckenmäßig bist Du weit vorne!
    Ein wenig enttäuscht bin ich von deinen Rad-Dusch-Fotos.
    Als einer, der dein erotisches Potenzial für die Fotografie schon früh erkannt hat, hätte ich mir da mehr vorstellen können!
    Wäre auch noch mal ein super gendergerechter Kontrast zum Shooting geworden, Mr. Bike-Tourist 2019!