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Es schneit und schneit - In Berchtesgaden und dem Isartal ahben die Schulen zu, hinter der Grenze zu Österreich sind die Strassen nach Leutasch gesperrt. Mit dem Rad lediglich von der Arbeit nach hause zu kommen ist eine Herausforderung. Wie bitteschön also nach Lenggries??? wo es scheinbar meterhoch geschneit hat??? - gestern abend Frust beim Heimfahren, heute früh dann vorne den Reifen mit Spikes aufgezogen: Lehre Nummer 1: Der geheiligte Schwalbe marathon Mondial in extrabreit ist echt Scheiße im Schnee - mit Spikes macht es fast Spaß.

das war gestern auf dem Weg nach Hause. Schnee und ein elends-Gerutsche dank den Laufflächen des breiten Reifens. An sich wollte ich heute: 10. Januar losfahren, ... Sonntag, der 13. wird vermutlich wegen Schneechaos nicht machbar sein - ein kurzes Fenster mit passablem Wetter vielleicht ab Dienstag.

Anmerkungen zum marokkanischen Patriotismus

 

Es ist ein system-immanenter Fehler, dass Reiseführer von glühenden Verehrern des Landes geschrieben werden. Wer würde sich die Mühe ans Bein binden zB den Zauber Stuttgarts einer breiten Öffentlichkeit schmackhaft zu machen, der die Stadt mitsamt ihrer Spätzle- und Trollinger- Kultur verabscheut, den Akzent weder charmant noch goldig findet, sondern eher im Bereich Sprachfehler verortet? 

 

So aber sind die Schreiber der Reise- und Kulturführer Marokkos gerne bereit auch noch der offensichtlichsten Touristenfalle authentische Attribute zuzuschreiben, den Kommerzoasen der Medina von Marrakech orientalischen Zauber, dem Essen eine kulinarische Finesse. Und irgendwas von Gastfreundschaft zu faseln.

 

Es ist aber eben ein nicht zu leugnendes Stück der Wahrheit, dass es nicht mit allen der so gepriesenen Mosaikstücken des marokkanischen Gesamtkunstwerks so weit her ist. Aus diesem Grund hier das dringend notwendige Korrektiv, die Nivellierung der in Reiseführern wieder und wieder reproduzierten Überhöhungen, eine Relativierung.

 

Da ist zum Beispiel der Müll – der hier, wie in so vielen anderen Ländern seine finale Lagerstätte in der Natur findet – in Bachbetten, die jetzt, wo sie trocken sind den Blick freigeben – Plastikmüll, Tüten, jede Form von Dreck und Schotter. Vor den Toren der Stadt werden mit Raupen Müllberge zusammengeschoben – in die fährt der Wind und bläst die Tüten davon, wie Quallen werden sie davongetragen um Bäume, Sträucher und Zäune zu zieren – das stört hier aber niemanden. Nicht die Einheimischen, die nur ihre eigenen 4 Wände sauber halten, aber egal welchen Schnodder achtlos auf die Straße werfen. Sondern auch die Ausländer nicht, die wenig von dem Land sehen, das zwischen den touristischen Highlights liegt. Und während die von mir studierten Reiseführer Marokko als ökologisches Streber-Land bezeichnen, sieht man wenig Windräder, obwohl der Wind hier unablässig pustet. Aus der Wüste in die Berge, aus den Bergen in die Täler, vom Meer aufs Land - … dazu brennt die Sonne runter auf die sanding-gelb geröstete Erde, auf brache Felder und ausgedörrte Ebenen in den nur Steine und die omnipräsenten rosa und blauen Plastiktüten wohnen. Solarkollektoren? Photovoltaik? Selbst auf den Flachdächern in den Metropolen wie Fez, Tangier, Marrakesch, Agadir, …. Wo wenn nicht hier rentiert sich die Sonnenenergie? Egal – wenn man sein Land so liebt: Ist es nicht ein Trauerspiel, dieses geliebte Land unter Plastiktüten zu begraben?

 

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Vom Delfin träumen und den Molch geben.

 

Chefchaouen nach Fes

 

Auf der Landkarte nehmen sich Distanzen gerne bezwingbar aus – so kann man sich problemlos eine attraktive Route zwischen Chefchaouen und Fes mit diversen Navigations-Programmen planen lassen. 120 km bis in ein kleines Nest an einem Stausee, von da aus nochmal 100km bis nach Fes. Aber dann klettern die Temperaturen täglich ein bisschen und es werden 40°C erwartet in der Ebene zwischen dem Rif-Gebirge und dem Atlas. Und bis runter nach Essaouira sind es 100te  von Kilometern.

 

Es gibt immer 1000 Gründe nicht zu radeln und die meisten sind schlecht, … faul und ängstlich, zu bequem … und sobald ich Bus sitze, das Rad und die Taschen im Bauch des Busses verstaut geht’s mir genauso: Draußen ziehen die Berge des Rifgebirges vorbei und ich erinnere mich an die schönen Tourenabschnitte auf dem Weg nach Chefchaouen. Die Berge bleiben grün, immer neue Gipfel tauchen auf, während auf dem Display neben der Uhrzeit angezeigten Außentemperaturen langsam steigen. Es ist noch nicht mal 11 Uhr morgens und das Thermometer klettert Richtung 35°C. Dann führt die Straße in ein paar malerischen Bögen aus den Bergen mit ihren Olivenhainen und kleinteiligen Feldern und Mäuerchen und die Herrlichkeit ist erstmal zu Ende. Stattdessen flirrende Hitze über verbrannter Erde. Wie es in diesen Bedingungen auch nur ein Grashalm schafft der staubigen Krume sein Leben abzutrotzen, weiß der Herr, aber der Blick auf das Außenthermometer lässt mich Frieden schließen mit meiner Entscheidung, hier auf einer der Bänke im Deluxe-Bus des Premium Anbieters CTM für ein paar Dirham nach Fes zu reisen. Später, da sind es nur noch knapp 100km nach Fes, aber bereits 3 Uhr nachmittags überholt der Bus zwei Radreisende. Gebeugt hinter ihre Lenker kämpfen sie sich die leichte Steigung gegen den Wind Richtung Fes – das sie wohl an diesem Tag nicht mehr erreichen werden.

 

Das wären sie vielleicht gewesen – die Fahrradreisenden, die ich hier suche, aber nicht finde, die Bikepacker, denen ich mich gerne anschließen würde, weil ich schon so lange alleine unterwegs bin und alles soviel leichter ist, wenn zumindest zu zweit.

 

Hier also überhole ich die ersten Radler, bepackt wie ich auch, aber tapferer, weniger kleinmütig, weniger sorgenvoll und bequem. Und wer weiß ob es die letzten sein werden. Gleichzeitig schaut das auch nicht wirklich Vergnügungssteuer-pflichtig aus und ich verdränge die unzufriedenen Gedanken. Eine Stunde später sind wir – Lola und ich – in Fes, mit dem Rad zumindest gelange ich vom CTM Busbahnhof an das blaue Tor, das die Medina von der neuen Stadt trennt.

 

Vor Fes wird gewarnt: Von Marokkanern.  Und Touristen und Reisenden – die allerdings warnen auch vor Marrakesch. Die Marokkaner warnen vor Kriminalität, die Touristen vor den Auswüchsen der Vermarktung des kulturellen Erbes des Landes: Berberteppiche, Gewürze, Lederwaren, gegerbt und gefärbt, Laternen und Töpferwaren, hier vor allem Tajinen – die allgegenwärtigen Tonpfannen mit getöpferten kegelförmigen Deckeln, die man einfach ins Feuer stellt, nachdem Diverses an Fleisch und Zwiebeln mit Gewürzen in der Tajine aufgestapelt wurde. Das ganze wird in die Glut gestellt, eine halbe Stunde später hat man Eintopf, moroc-style.

 

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Nordafrika

 

Neben mir entwickelt der SARS Test, mein Husten und Schnupfen, das Kratzen im Hals und das bisschen fiebrige Gefühl nerven mich. Aber vielleicht hilft der marokkanische Tee und wenn welcher Virus auch immer empfindlich auf hochkonzentrierten Zucker regiert, bin ich morgen gesund. Ich sitze auf der Dachterrasse, das Hostel ist in der Medina in einem gigantischen Labyrinth gelegen. Gegenüber erheben sich die Gipfel des Rif-Gebirges. Ab und zu kreisen ein paar Störche in der Thermik, im Osten erstreckt sich die Stadt Richtung Mittelmeer und ich sehe im Dunst den Strand.

 

Schwer zu glauben, dass das erst mein 4.Tag in Marokko ist – es ist kaum eine Woche her, dass ich ein zweites Mal aus Feldafing aufgebrochen bin. Das erste Mal, Mitte März, mit Tatendrang und in Erwartung all der Freuden des Radelns, die ich von der Seidenstrasse in Erinnerung habe. Eineinhalb Monate später breche ich mit spürbar gemischteren Gefühlen auf. Es ist so schön gewesen, das Haus der Eltern, die Bienen und der Frühling, die Spaziergänge mit dem kleinen Hund Lola. Warum wegfahren, wenn es gerade so entspannt und friedlich ist?

 

Und so ganz verstanden habe ich ja auch noch nicht, warum mir an der Grenze zu Spanien, 3 Tage vor Barcelona auf einem Campingplatz bei Narbonne so die Luft ausgegangen ist. Es waren nicht die Mücken der Carmargue, die sich wie eine Plage aus den elenden Kanälen erhoben haben, sobald der Wind eingeschlafen ist. Es waren auch nicht die kilometerlagen Trailer Parks in denen Frankreich seinen Sommerurlaub verbringt – Sandstrand, ein paar Dünen, alle paar 100m ein Wellenbrecher, am Horizont Hotelburgen, im Landesinneren Vergnügungsparks – jetzt stillgelegt und ein Quell von Tristesse, gratlige Schrottplätze, … all das nicht schön, aber das allein war es auch nicht, natürlich.

 

War es die Beliebigkeit mit der ich durch Südfrankreich gefahren bin? Besichtigen was auf dem Weg liegt, ignorieren, was nur 10 km Umweg bedeutet, aus Unkenntnis, weil ich mir die landschaftlichen und architektonischen Highlights Südfrankreich nicht angesehen habe? War mir die ganze Organisation mit Schlafplätzen zu viel? Wobei das natürlich meine Schuld ist, wenn ich immer die erstbesten oder billigsten Unterkünfte ansteuere? Sete wollte ich gerne sehen, landete dann aber in einem Vorort, nur 2km entfernt vom Stadtkern, so hieß es bei AirBnB, … aber das ist Luftlinie: die kürzeste Verbindung waren 1 Fahrradstunde um die ganze Bucht, durch ein unangenehmes Industriegebiet. So verbringe ich den Abend anstatt in Sete in einem Sozialbau, auf einem kleinen Balkon sitzend, und zwischen Häuserschluchten erahne ich die Lichter von Sete. Für 24€ ist halt mehr auch nicht zu erwarten.

 

Nichts davon ist es, aber in Summe - … und dann hat meine Mama Geburtstag. Den 80. Und das ist natürlich das beste aller Argumente, vielleicht auch nicht der allein ausschlaggebende Grund, aber bestimmt die Hauptmotivation mitten auf der Straße nach Carcassonne umzudrehen und zum Bahnhof von Narbonne zurückzufahren, mich dort den halben Vormittag mit einem Fahrkartenautomaten, der Englisch kann, auseinanderzusetzen, bis ich mir eine Rückreise nach München zusammengestückelt habe. Räder im Zug sind in Frankreich nur bedingt erlaubt, ohne Voranmeldung schwierig und problemlos nur in TER Verbindungen – Bummelzügen möglich. Auf diese Weise schaffe ich es zurück nach Marseille, worüber ich mich freue. Weil Marseilles auf dem Hinweg schon so toll war. Tags darauf nach Lyon und ein zufälliger Flixbus verbringt mich in der Folgenacht nach München. Das ist eine Tour des Force: Im Hostel in Marseille wird gefeiert, dass die Wände wummern und im Stundentakt taumeln Betrunkene ins Bett, brausen sich ungerührt für 20 Minuten den Schweiss aus den Achseln, geben das Mega-Rhino auf dem Klo, spülen 3 mal und schnarchen 2 Minuten später; für mich: erholsames Schlafen geht anders. … Mein Zug allerdings geht bereits um 6:30, um 5 muss ich aufstehen, und um 3 Uhr morgens suche ich entnervt ein Sofa, finde ein versifftes Eck mit ein paar Polstern und schlafe selig und kurz. Der Nachportier etdeckt mich und fragt was los ist. Er ist ein gütiger Engel mit Herz für Radreisende und macht sich auf, um mir ein Frühstück zu kaufen, was für ein unglaublicher netter Zug von ihm  – findet aber nur verpackte Industrie-Hörnchen mit Marmelade, was ihm leid tut, aber bitte: alleine schon in der Früh durch die Straßen zu laufen um einem übermüdeten Radler etwas zum Kauen zu organisieren ist so eine unglaublich freundschaftliche Geste. Die Hörnchen mit Aprikosenmarmelade frühstücken wir zusammen, ich steuere üblen Instant-Cappuccino bei, aber der Moment ist voller menschlicher Wärme und rührend – wir plappern über die Länder, die wir beide bereist haben und dann radel ich durch die dunklen Straßen zum Bahnhof, wo ich mein Rad in den ersten der TER Züge wuchte und erschöpft daneben zusammensacke. Später am Tag habe ich Zeit Lyon zu bewundern, bis mich der Flixbus durch die Nacht und die Schweiz nach München bringt.

 

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Bis Südfrankreich und keinen Meter weiter

Im Stadtteil Panier in Marseille sind Wandkünstler unterwegs - keine Gasse ohne Graffity und Wandmalerei. Dazwischen poshe kleine und sauteure Restaurants, in denen die jungen Franzosen Mittags ausführlich Pause machen und Weisswein trinken. 

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Spielarten der Gastlichkeit

 

Vielleicht ist es das, was ich machen mag, wenn ich alt bin. Ein Hostel aufmachen, in München. Denn ich kenne die Hostels dieser Welt, von Tibet bis Albanien, von steril bis heruntergekommen, von modern und intelligent bis urig. In Shkoder hatte ich das Gefühl bei Alma im Wohnzimmer zu kochen, in Bozen steht ein einsamer Ofen neben der Waschmaschine. Ich weiss, wie schön es sein kann und was es braucht. Heimelig, großzügig, gewachsen, bescheiden, Musik und eine nette Bar, anständige Betten und ein bisschen Privatsphäre, auch im Dorm. Hier in Genua werden allerdings alle Standards übertroffen: Die schöne und große Küche ist Teil eines weitläufigen und gemütlichen Essensaals an den sich eine gemütliche Terasse anschließt; so groß ist die, dass man bequem ein kleines Konzert veranstalten könnte. Abends klimperte ein Musiker auf seinem kleinen E-Piano entspannte Tunes in die Nacht, so bin ich eingeschlafen, mein Fenster geht auf die Terrasse. Über Nacht haben die Heinzelmännchen die Kochflächen gereinigt und die großen Gläser wieder mit Biscotti befüllt, Obst, Gurken, Tomaten gewaschen in Körben zur freien Verfügung, - nebst Pasta und Riso, Kartoffeln und Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten-Sugo-Flaschen. Mais und Erbsen in Dosen. In keinem anderen Ostello wird weltweit soviel Tomatensauce gekocht, soviel Spaghetti. Ein paar Ostellinitos fühlen sich abends bei Wein und Seligkeit zu Höherem berufen – natürlich sind Auflaufformen nebst einer gepflegten Röhre vorhanden um gemeinschaftlich Parmigianas und diverse Alfornos zu produzieren. Dann wird diniert – irgendwo haben sie sogar ein weißes Tischtuch hergezaubert. Wein aus langstieligen Gläsern. Kein Witz. So geht’s also auch.

 

Aber es geht auch anders: Zum Beispiel Ostello Pavia. Um zum Ostello gelangen fahre ich an der Stadt vorbei, die Stadt ist schön, zumindest der Bereich der als Centro Storico ausgewiesen wird. Bestimmt ist es da schön – so wie italienische Städte schön sind – Tische auf der Piazza, Osterias in historischen Mauern, Türmchen, Kirchen, bröckelnder Putz und malerischer Verfall, dazwischen strömen die Menschen zusammen und belagern die Treppenstufen der Kirchen und machen sich gemeinsam über die Pizza her, die sie aus einer der vielen Restaurants geholt haben, die anderen sitzen am Tisch und trinken Aperol Spritz zu sagenhaften 3 Euro das Glas. An all dem also fahre ich vorbei, überquere einen Autobahnzubringer und gelange in eine gesichtslose Wohnsiedlung, die schon auch zum italienischen Stadtbild gehört – halt nicht Innenstadtbild, sondern hässliche Peripherie – nach 3km taucht das Ostello Pavia auf. Umzäunt, verschlossen, unbeleuchtet, unbewohnt. Auf mein Klingeln reagiert keiner, selbst das Tor auf den gepflasterten Vorgerten bleibt verschlossen. Immerhin lässt sich die Telefonnummer anrufen, und mir wird erklärt, dass ich mich hätte online einchecken müssen – das hätte ich nicht getan. Richtig allerdings ist: Genau das habe ich sehr wohl getan, selbst eine Bestätigung kann ich vorweisen – das wiederum interessiert die Belegschaft nicht, denn in ihren Unterlagen können sie meinen Check In nicht finden – stattdessen sagen sie mir wo ich hinfahren kann um den Concierge der Herberge zu besuchen – da könnte ich auch den Covid-Nachweis abnehmen lassen, ohne den hier nichts geht. Ist ja auch gut so – nur dass unsere Cov-App aus Sicherheitsgründen keine Screenshots zulässt.  Also radle ich über mehrere Autobahn-Tangenten zur nächsten Herberge – der Concierge dirigiert nämlich 3 parallele Operationen, dass er sich dazu nicht in das erbärmliche Ostello verfügt, verstehe ich schon. Dort also zeige ich meinen Covid Pass, radle zurück und werde über Whatsapp erst über fernsteuerbare Schlösser auf das Grundstück und dann in den Bau eingelassen. Es ist dunkel, auf einem verlassenen Tresen liegt eine einzelne Chipkarte – das ist tatsächlich meine. Damit gehe ich in das mir zugewiesene Zimmer. 4 Stock-Betten, eine Nasszelle, … endlich duschen. Im Zimmer riecht es nach Knoblauch und Füßen, ein Bett ist belegt, unter dem Bett Essens-, äh… „Vorräte“??? -  in Plastiktüten, auf der oberen Etage des Betts lagern Teller mit undefinierten Speiseresten. Im Klo siehts aus, dass Du denkst Oktoberfest. Egal – Wasser, warm, draußen ist die Sonne weg und inzwischen wieder wirklich kalt.  Zumindest das Wasser ist heiß, kurzer Moment von Entspannung.

 

Dann fahre ich noch schnell nach Pavia – mit dem Rad geht das, und natürlich ist es genau so, wie man das so kennt. Unspektakulär und Pavia ist nicht Florenz, aber eben auch nicht Mannheim, Stollberg oder Bochum. Es gibt Kirchen, bröckelnden Putz und marmorne Stufen, auf denen sich die Jugend herumtreibt, es riecht nach Pizza, die Jungen trinken Spritz, die Alten Wein, in den Läden, die immer noch geöffnet sind, werden die Lichter angezündet und es leuchten die Auslagen mit Käse und den obligatorischen Würsten und Schinken: Po-Ebene ist Rinderzucht und Schweinemast. Fleisch satt. Die Ober wieseln durch die Tischgassen und hauen Pasta und Risotti raus, … ich hab auch Hunger – und das merke ich jetzt. Seit heute Vormittags gabs nichts mehr zu essen. (Seit mir vor dem Aldi um halb 11 tatsächlich der Helm geklaut wurde, seit ich – weil ich es echt nicht glauben wollte den Weg nochmal komplette 20km hin und her abgefahren habe -… aber nix: kein Helm) – solange jedenfalls ist es her und seitdem gabs nix – kein Brioche oder Biscotti – 100km, Gegenwind. Und auch da eher nichts wirklich fürs Auge – sondern eben: Po-Ebene: Industrie und Schweinezucht! Da ziehen sich 100km. Schon in der Früh hatte ich Hunger! – Am Abend zuvor zu wenig gegessen, in der Früh das Essen auf später verschoben. Und ich esse jetzt endlich meine Vorräte auf, denke ich mir, eine halbe Packung Nudeln, eine halbe Packung geriebener Pecorino, ein halbes Glas Pesto. Also nichts wie ins Hostel und endlich kochen.

 

Im Untergeschoss soll sich die Küche befinden, ein Fernseher und angekündigte kunterbunte Zerstreuung, … Und da ist es tatsächlich geräumig, das ganze sieht aber eher aus wie ein verlassenes Sozialzentrum für Wohnungslose aus den 80er Jahren. In der Küche stapeln sich die angeranzten Teller, Geschirr und Besteck, die Schränke sind leer, alles was man zum Kochen nutzen könnte stapelt sich in der Spüle, ein wackliger Turm aus fettigen Tellern, Gläsern, Tassen, Schüsseln mit irgendwelchen milchigen Ablagerungen, Töpfe in denen das Spülwasser scheitert die eingebrannten Kochversuche eines Vogonen zu lösen. Wer macht sowas? Spült da jemand? Gab es je Personal, wer kocht hier?

 

Ich bin zu schwach um jetzt heldenhaft gegen diesem Pfuhl an Essensresten anzuspülen. Ich hab noch einen Camembert und eine halbe Breze, eine Dose Bier und einen Apfel. Dann halt das und schnell ins Bett.

 

Licht im Zimmer. Und Lärm. Im Bett sitzt der Koloss von Rhodos, aus einem Tupperware Eimer schlingt er Nudeln, es rülpst und gurgelt. Neben ihm tobt ein Smartphone und überträgt eine Sitcom, oder das Freitagsgebet der Wahabiten, oder die Versteigerung von Zuchtbullen - dann aber klingelt es. Irgendjemand ruft an, er nimmt das Handy auf und hustet anständig, oder war das die Begrüßung? Dann brüllt das Handy weiter, der Eimer Nudeln leert sich, - ich versuche es mit einer Vorstellung und der Bitte das Fenster öffnen zu dürfen. Begrüßung ist OK, Fenster öffnen eher nicht. Dann erhebt sich der Koloss, nachdem er seinen Leib aus der Bettdecke geschält hat, in prachtvollen Unterhosen steht er vor mir: Al-Said sein Name, Al Said aus Ägypten. Wie das Segel einer Feluke in der Abendflaute - diese Unterhose, mein Gott, was für ein unterirdisches Textil. So läuft man einfach nicht rum. Nirgends! Nicht mal im Ostello Pavia – und auch dann nicht, wenn man da quasi als einziger Gast dauerresidiert. Dann geht er aufs Klo, … ach ja: die Tür kann man natürlich nicht abschließen, das stört Al Said zwar weniger, mich aber schon. Ich bin froh, dass ich schon vorher duschen war.

 

Im Untergeschoss habe ich Ruhe, schlafen geht hier eh nicht, während Al Said die Welt in seinem Bettkoben zu Gast hat, auf seinem Handy ist Betrieb wie Börse in Tokyo. Und ich muss mich ja noch im Ostello Bello Genova anmelden – nochmal sowas wie in Pavia will ich vermeiden. (Warum kann ich nicht einfach auflaufen und sagen – Ich bins, Stefan und das hier meine Dokumenti, hier mein „Green Pass“, trallala zeige mir mein Schlafplätzchen?) Jedenfalls geht dann im unerträglichen Ostello Pavia das vermaledeite Wifi nicht, ich spastel mir das alles auf meinem Handy zusammen, Kreditkartennummer, Geburtsdatum, Wohnort, Reisedokumente ausgestellt wo? Wann?, … endlose Fragerei – und ich bin schon so matschig in der Birne und ich merke wie mir langsam die Puste ausgeht. Das war ein langer Tag und ich habe so einen verdammten Hunger und eine basale Grundgenervtheit: warum schickt mir das Schicksal einen ägyptischen Haudrauf und Preisschnarcher in das enge Schlafzimmer? Warum geht zur Abwechslung nichts mal von allein: Internet, anschalten, Passwort, verbunden – und gut isses. Stattdessen: kann nicht verbunden werden, im Keller kaum mobile Daten, oben der Koloss vom Nil, und ich hab einfach keine Energie mehr, zumindest diese blöde Anmeldung will ich aber noch fertig machen und wenn das geschafft ist dann gehe ich rauf und bitte Al Said um Ruhe, und später wenn er schläft mache ich das Fenster auf, …ich bin so müde, aber jetzt noch schnell die blöde Online Checkin Abfragerei, Creditkarte gültig bis wann? Nummer? Getippt – gecheckt – jetzt noch die 4 stellige Sicherheitsnummer – getippt, abgeschickt, … Nummer falsch! … sie haben noch 4 Versuche.

 

Was?

 

Halt mal: 4-stellige Sicherheitsnummer? Ich hab jetzt nicht im Ernst die Nummer? 

 

Doch! Hab ich! Allen Ernstes! Und dann schau ich nochmal die Seite an – und das ist auch nicht mehr die Page vom Hostel, … irgendwann hat sich da diese Seite geöffnet, parallel, und ich hab brav und ferngesteuert und gestresst um endlich fertig zu werden um endlich ins Bett zu kommen und bitte bitte bitte morgen in Genua keinen Stress …  

 

Und jetzt: Das ganze Theater – Karte sperren, in Deutschland hotlines suchen, die entweder besetzt sind oder mich wegklicken oder mir Wartezeiten von 10 Minuten und länger in Aussicht stellen – zwischenzeitlich ruft mein lieber Kollege Frank zurück, und der schüttelt wohl bei sich zu Hause auch den Kopf, wie blöd kann man denn auch sein? – aber der Frank ist höflich und spürt wohl, dass ich für einen feurigen Einlauf gerade nicht in Stimmung bin. Er sagt tatsächlich Tröstendes und bietet Hilfe an – aber jetzt muss erstmal die Karte aus dem Verkehr - … es sind nicht mehr als 15 Minuten vergangen. Ob das reicht, dass irgendwelche Internet-Schurken mein Konto plündern, weiss ich nicht. Der Mann an der Hotline ist sehr aufgeräumt, der arbeitet an der Front, den ganzen Tag spricht er mit den ganzen Kretins, die es trotz 10.000 facher Warnung und wider besseren Wissens schaffen irgendwelchen Trollen ihr intimstes Bankgeheimnis anzuvertrauen. Hunger hab ich jetzt nicht mehr – jetzt ist mir schlecht.

 

Al Said hat gute Laune – wo ich herkäme? Wunderbar – in München ist das Leben toll, überall Arbeit, er hat Frau und massig Kinder- gerne will er nach Deutschland kommen. Sein Gespräch weht daher wie Knoblauch-Sturm, aufgerichtet ist der Mann locker doppelt so groß wie ich, zu einer angemessenen Hose hat es bislang nicht gereicht, einsilbig schleppe ich mich ins Bett und bitte ihn in absehbarer Zeit das Licht zu löschen und das Telefon abzuschalten. Das nervt ihn gewaltig, aber nachdem er sich versichert hat, dass ich nur eine Nacht bleibe, ist er gnädig und lässt mich schlafen. Ich schlafe trotzdem nicht, und beim ersten Dämmern packe ich meine Taschen und verlasse Pavia, es ist saukalt, die Finger eisig – später erwische ich eine Mitarbeiterin der Spardabank, die mir ein bisschen die Sorgen nehmen kann, und langsam kehren die Lebensgeister zurück. Ich trink Cappuchini in den Cafes, in einem sizilianischen Gemüseladen kaufe ich Bananen, in Tortone steig ich in den Zug, weil ich ankommen will, in einem Bett, mit netten Dorm Mates, einer vernünftigen Küche, einem sauberen Bad. Und dann komme ich an und alles ist noch so viel besser. Während ich hier sitze und schreibe, klimpert auf der Veranda unverdrossen der Pianist, unten wummert Party Musik und die Jugend, die sich hier mehrheitlich untergebracht hat, groovt sich ein.

 

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3 Jahre später

 

Am Abend vor der Abreise ist der Himmel dramatisch gelb – eine Sepiastimmung liegt über der Stadt, die Sonne zwischen den Wolken taucht alles in ein unwirkliches Licht. Früher war der naheliegenste Gedanken natürlich das jüngste Gericht und gelber Schwefel, der aus den Pforten der Hölle entweicht. Heute berichtet der Nachrichtensprecher: Saharastaub! Vielleicht ein gutes Zeichen: Ich auf dem Weg in die Sahara, die Sahara kommt mir schon mal ein Stück entgegen. Den ersten Tag eiere ich auf dem natürlich überladenen Fahrrad die Stationen ab: Die St. Heinrich Apotheke, die mir meine Reisemedizin mit auf den Weg gibt, die Kollegen von Intana und siTOOLs, von denen ich mich verabschiede, der Fahrrad-Laden, Funsport in Martinsried, der mich und meine Radlerei begleitet. Dann wuchte ich meinen 2-Rad Sattelschlepper Richtung Starberger See. Abends kommt noch mein Bruder Thomas zu den Eltern nach Feldafing, Lola und ich gehen spazieren und ich vermiss den Wald, das Haus, den Hund und alles da schon bevor ich losgefahren bin. Es nieselt und der Saharastaub geht wie Ockerbrühe nieder. Am nächsten Morgen hängen die Wolken tief, der Abschied fällt jetzt doch schwer.

 

Ursprünglich hätte mich mein Weg nach Süden über St. Moritz geführt – das alles klang ganz vernünftig, als ich die Etappen zusammengesucht habe: draussen schien da schon die Sonne so schön und warm, der Winter schien einer fernen Vergangenheit anzugehören. Ein Blick auf die Wetterkarte aber relativiert meine Frühlingsgefühle, weil in St. Moritz schneits bei -12°C. Mittags! Vergiss den Maloja Pass, Comer See, etc. - es schneit oben, unten regnet es.

 

Aber ich will zumindest die erste Warmshower-Übernachtung nicht absagen, die ist im Lech Tal und so radel ich am Schloss Schwanstein vorbei, komme nach Füssen, und da ist es wirklich schön – und dann noch ein paar Kilometer den wunderbaren Lech rauf. Kiesbetten, Auenlandschaften in denen sich die Biber ihre Gärten anlegen und Weiden umlegen, wie ein Rodungsunternehmen. Die Radwege sind jetzt immer wieder verschneit, vereist, aufgetaut, überfroren. Teilweise sieht man noch die Spuren der Loipen, die nun auch niemand mehr nutzt – aber radfahren kann man halt auch nicht. So dauern die letzten Kilometer nochmal ne Stunde. Ich übernachte bei einem Gastgeber von Warmshowers, der in seinem früheren Leben ein Computer Bastler und Chip-Löter und Programm-Schreiber war – jetzt sucht er Alternativen und engagiert sich politisch und gesellschaftlich, interessiert sich für 1000 und eine Sache, verdammt leidenschaftlich den Verbrennungsmotor und bastelt sich im Eigenbau seine kleinen elektromobilen Zweirad-Geschosse. Auf seinem kleinen Bauernhof hält er eine sehr ursprüngliche Schaf-Rasse. Am nächsten Morgen holt er frische Eier aus dem Stall und freut sich, weil über Nacht noch ein Lämmchen auf die Welt gekommen ist. Ganz stakselig stolpert es zwischen den anderen Schafbeinen herum.

 

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Peking-Istanbul-München: nachhause kommen

Istanbul

 

Mein Rad ist im Bauch des Flugzeugs, neben mir hat ein Chinese innerhalb von 30 Sekunden und schon vor dem Start des Flugzeugs Richtung Istanbul eine bequeme Position gefunden und schlummert. Die können das! Xiuxi – Pause! Mittagsschläfchen in jeder denkbaren Haltung, ein Leben lang geübt und praktiziert. Ich schaue in die Nacht, das Flugzeug rollt Richtung Startbahn und dann warte ich auf den Moment, an dem das Fahrwerk vom Boden abhebt und ich endgültig chinesischen Boden verlasse. 

 

Auf dem Bildschirm verfolge ich die Route des Flugzeugs – nach einer guten Stunde überfliegen wir Hohhot – vor 3 Wochen war ich da und hatte noch ein paar hundert Kilometer vor mir. Nach 2 Stunden Qinghai und nach 3 Urumqi. Die Riesenstadt strahlt in der Dunkelheit als wir sie im Norden umfliegen. In der Schwärze der Nacht scheinen die wenigen Lichter näher zu rücken als wir über Kirgistan und die Berge des Pamir fliegen. Gute 2 Monate lagen da noch vor mir, in Osh.

 

In ein paar Stunden werde ich die Strecke überfliegen, für die ich auf dem Rad mehr als ein halbes Jahr gebraucht habe. Ich bin froh, dass ich nach Istanbul fliege und nicht nach München. Ein letzter Rest Asien, bevor ich wieder so richtig in Europa ankomme. Ein paar Tage, um dem Hirn Zeit zu geben, den Rest von mir wieder einzuholen.

 

Bevor ich in München ankomme kann ich so nochmal durch Griechenland radeln, von Istanbul muss ich nach Igoumenitsa. Dort nehme ich eine Fähre nach Venedig und fahr mit dem Rad den Weg zurück, über den ich hergekommen bin.

 

Arnd hat mich an den Flughafen gebracht. Ein bisschen dreist aber „sehr chinesisch“ drängeln wir uns an der Schlange vorbei mit den Taschen und dem Fahrrad-Sperrgepäck. Ein kurzer Ratsch mit dem Personal am Baggage Check in, dann öffnen sie schnell den Schalter für uns, - jetzt wo wir schon mal da sind - lassen uns mein Gepäck aufgeben und wir sparen uns eine Stunde anstehen in einer endlosen Schlange der Economy Passagiere, das Rad kostet 60 Dollar und verschwindet in den Tiefen des Flughafens.

 

Nie werde ich verstehen, wie man im Flugzeug schlafen kann – außerdem lassen sich die Sitze nicht verstellen und die Kissen rutschen in den Spalt zwischen Fenster und Lehne. Draußen ist es stockfinster, mein Sitznachbar schnarcht selig.

 

Gülnaz holt mich am Flughafen in Istanbul ab. In den Morgenstunden kommen wir zu unserer Wohnung, 4. Stock, große Fenster Blick auf den Bosporus. Die große Autobrücke leuchtet noch, die ersten Schiffe ziehen ihre Bugwellen durch das Wasser, auf der gegenüberliegenden Seite liegt Asien.

 

In den nächsten Tagen streifen wir tagsüber durch die Stadt. Ein Jahr hat Gülnaz als Jugendliche hier gelebt, als Kind ging sie hier mal zur Schule. Istanbul ist für sie sehr viel mehr Heimat, als Peking je für mich war. In der Früh treibt mich die Zeitverschiebung aus dem Bett und ich schaue über die Lichter, die an den Ufern des Bosporus leuchten – es ist ein unwahrscheinlicher Blick und ein Spektakel wenn die Sonne im Osten aufgeht. Abends falle ich gejetlagged ins Koma und stolper ab 5 Uhr Nachmittags nur noch im Taumelgang durch die endlosen Treppchen und steilen Gassen der verschiedenen Stadtteile. Nachts wähne ich mich zurück in Peking und wache auf mit noch ein paar Brocken Chinesisch aus dem letzten Traum im Kopf. Das Hirn braucht offensichtlich, um nachzukommen. 

 

Istanbul – Byzanz – Konstantinopel, … gibt es auf der Welt eine zweite Stadt, die über so lange Zeit das Zentrum der Macht der größten Imperien war? An der Schnittstelle zwischen dem Westen und den Völkern in den Steppen Asiens. Griechen, Römer, Osmanen. Weltmächte und Weltreligionen. Gegründet im 7. Jahrhundert BC von den Griechen und keine hundert Jahre später ein bedeutender Handelsposten. Nochmal 50 Jahre später erstmals erobert von Darius aus Persien, dann kamen die Spartaner. Unter dem griechischen Einfluß schon früh eine Demokratie und ab 200 v. Chr. römischer Bundesgenosse. Als 300 n. Chr. Konstantin die Herrschaft über das römische Reich erlangte wählte er Byzanz als seinen Regierungssitz – Konstantinopel. Die Stadt widerstand den Arabern, litt unter dem Druck der Seldschuken, arrangierte sich mit Venedig bis die Kreuzritter die Stadt eroberten und plünderten. Erst im 15. Jahrhundert übernahmen die Osmanen die Stadt und prägten das Stadtbild mit Moscheen, Brücken, Brunnen und Palästen. Das osmanische Reich verfiel am Ende des 19. Jahrhunderts und mit ihm verlor auch Konstantinopel an kosmopolitischem Einfluss. An der Seite der Deutschen verloren die Osmanen den ersten Weltkrieg und Russland, England und Frankreich teilten das Reich unter sich auf. Und die Griechen forderten Konstantinopel zurück. 1919 begannen die türkischen Befreiungskriege und ein junger Hauptmann, gebürtig aus Thessaloniki, das in seinem Geburtsjahr 1881 noch Teil des osmanischen Reiches gewesen war, macht sich einen Namen zunächst als begnadeter Stratege und später als Staatsgründer.

 

Wir treffen Freunde, die Gülnaz seit Jahren nicht mehr getroffen hat – gehen abends essen. Die Gabel findet meistens noch den Mund, die eigenen müden Gedanken aber verirren sich auf dem Weg nach draussen. Und die freundlich an mich gerichteten Worte erreichen nicht mehr so ganz das Ohr. Ich würde mich gerne mitunterhalten, aber einen klaren Satz auszusprechen – und wir sprechen hier deutsch! – ist so anstrengend wie betrunken Kreuzworträtsel zu lösen. Vermutlich hinterlasse ich den Eindruck eines ziemlichen Blödis, aber nicht ständig zu Gähnen ist schon eine echte Herausforderung und wenn ich nicht aufpasse schleichen sich Worte wir Kopfkissen, Matratze und anderes Bettvokabular in meine ständig entrückenden Gedanken. Später werde ich gnädig nach Hause gebracht und die 4 Stockwerke ins Zimmer würde ich am liebsten auf alle Vieren hochkriechen.

 

Aber mit jedem Tag wird es besser – und die Vapur-Boote, die den Personenverkehr entlang der Wasserwege abwickeln, erlauben immer wieder kleine Pausen. Zum Verkehrsnetz gehören auch ein paar wenige Metrolinien, ein Trambahn Netz, eine Seilbahn, eine antike Tram, die sich einen Weg durch die immer volle Fußgängerzone  Richtung Taximplatz bahnen muss – eine unterirdische Bahn, Tunel heißt die, und führt von Karakoy Richtung Beyoglu. Und die Dolmus-Flotte, Minibusse, die sich hupend ihren Weg durch die Stad bahnen, berstend voll mit den Bewohnern der 15 Millionen Metropole.

 

Cousinen und Cousins wohnen im asiatischen Teil, wir besuchen die Familie und absolvieren das touristische Pflichtprogramm: Blaue Moschee, Hagia Sophia, Bazaar, sowie der Dolmabahce Palast in dem der Staatsgründer, Mustapha Kemal, sein ehrenvolles Leben zu früh mit zirrhotischer Leber ausgehaucht hat. Aber in den Jahren bis zu seinem Tod 1938, da war er noch nichtmal 60 Jahre alt, hat er das Land von Grund auf umgekrempelt. Politischen Einfluss hatte er schon lange gesucht, aber erst nachdem er im Befreiungskrieg in mehreren Schlachten die Griechen aus dem Land vertreiben konnte, hatte er den nötigen Rückhalt und die Machtfülle für die Rosskur, die er seinem Land zu verpassen gedachte. Die gesellschaftlichen Reformen umfassten Schulpflicht und die Einführung der christlichen Zeitrechnung, das Frauenwahlrecht, die Förderung der Emanzipation von Frauen und deren Ausbildung auf höheren Schulen und Universitäten. Abschaffung der Scharia und die Einführung ordentlicher Gerichte. Zivilrecht nach schweizer, Strafrecht nach italienischem und Handelsrecht nach deutschem Vorbild. Strikte Trennung von Kirche und Staat. Und das alles in einem Tempo, dass es einem die Sprache verschlägt: zB Umsatteln auf eine neue Schrift: lateinische Schrift anstelle des Arabischen. Wofür bei uns Jahrzehnte veranschlagt würden hat Atatürk seinem Volk ganze 3 Monate zugebilligt: Dann musste das vollzogen sein – neue Schulbücher, neue Straßenschilder – alles neu. Des Weiteren: Verbot von Verschleierung und Fes, der traditionellen Kopfbedeckung für den türkischen Herrn. Neuorientierung hin zum Westen und Umgestaltung zu einer modernen, säkularen Industrienation. Anders als viele Zeitgenossen seiner Ära hatte er sich nicht die Ausweitung des türkischen Staatsgebiets auf die Fahnen geschrieben und von den Nazis und Faschisten hielt er sich fern. Alles richtig gemacht! Was für ein Mann!

 

Um die Verwaltung zu modernisieren, waren die Türken aufgefordert sich mit einem Nachnamen auszustatten. Mustafa Kemal erhielt von der Nationalversammlung mit dem Gesetz Nr. 2587 vom 24. November 1934 den Namenszusatz bzw. Nachnamen Atatürk, Vater aller Türken, welcher mit dem Gesetz Nr. 2622 unter gesetzlichen Schutz gestellt wurde. 2 Gesetze nur für den Namen von Mustafa Kemal. Atatürk heißt sonst niemand auf der Welt! Auch nicht schlecht

 

Das Volk verehrte ihn und verehrt ihn bis heute. Seine Herabsetzung ist ein Straftatbestand. Und je größer das obligatorische Atatürk-Konterfei im Laden oder Restaurant – desto kritischer die Haltung zum gegenwärtigen Staatslenker, dessen politisches Programm so konservativ und rückschrittlich ist…. Und derzeit auch noch völkerrechtswidrig.

 

Wir suchen und finden erst die Schule und dann das Haus in dem Gülnaz als Kind gewohnt hat. So eine Überraschung – es steht tatsächlich noch und an der Tür steht noch ein bekannter Namen. Da wohnt tatsächlich noch die inzwischen über 90 jährige Großtante. Wir klingeln und werden eingelassen – es dauert ein bisschen bis das alte Tantchen sich erinnert, aber dann große Herzlichkeit, Hinein hinein, hinsetzen, Tee trinken, und tröpfchenweise kommt die Ver- und Bekanntschaft zusammengelaufen. Eine Spielkameradin aus Kindertagen, die damals schon neugierige Nachbarin und ihr Mann. Geschichten aus Kindertagen aufgewärmt. 40 Jahre haben sie sich nicht gesehen, das ist schon ein rührender Moment.

 

Wir besuchen die Prinzeninseln – so viel Wald, so ruhig und dörflich. Wir essen ein typisch traditionelles Fischbrötchen am goldenen Horn, mit gegrillter Makrele. Wir sitzen viel am Wasser und sehen den Booten zu, den Anglern, und genießen die Betriebsamkeit der Stadt – aber egal wo wir hingehen, Abends laufen wir die lange Straße hinauf zum Taxim und dann über die steilen Gassen zu unserer Wohnung, wo uns die unglaubliche Aussicht auf den Bosporus erwartet. Lichter, die sich im Wasser spiegeln, die Brücke, die letzten Vapor-Fähren, Frachter die ihre Bugwellen durch das Wasser schieben, kleine Fischerbötchen. Gegenüber die Silhouetten von Moscheen und die Hügel der asiatischen Seite. Mondlicht auf dem Bosporus. Es ist der Blick aus unserem Fenster, der den stärksten und bleibendsten Eindruck hinterlässt. 

 

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Die letzten 1000 Kilometer

Von Zhongwei und dem erbärmlichen Sha Hu – dem Sandsee – führt die Route weiter nach Norden. Die Provinz Ningxia verlasse ich auf einer Brücke über den gelben Fluß und bin in der inneren Mongolei. Keine Schönheit, eher so das Ruhrgebiet: Industrie, Bergbau, flach. Allerdings dünn besiedelt – zwischen den Städte liegen schnell mal 300km, dazwischen Landwirtschaft und Wüste. Im Norden verläuft ein Gebirgszug von Ost nach West, dahinter schon die Mongolei, nicht die chinesische Provinz sondern die Republik. Auf den Straßenschildern werden die Städtenamen jetzt neben den chinesischen Zeichen in Mongolisch angezeigt. Die 3. Schrift nach Arabisch im Xinjiang und Tibetisch in Gansu und Sichuan. Ab Bayannur führt die Straße nach Osten, geradlinig über Baotou, Hohhot und Jining bis es in der letzten Provinz, Hebei nach Südosten und Peking zugeht. Noch 1000 km

 

 

1) Reisender auf den Pfaden der Trostlosigkeit

 

 

Den See, Sha Hu, habe ich dann tatsächlich nicht gesehen. Vielleicht wäre nach einigen Kilometern entlang irgendeiner zaungesäumten Straße und ewig gleichen Blumenrabatten ein Blick über gelbes Wasser und sandige schlammige Ufer möglich gewesen – draußen auf dem Wasser hätten Dschunken-Imitate den morgendlichen Andrang von Touristen aufgenommen und in Richtung der touristischen Verheißungen verfrachtet: Pyramiden-Attrappe! Sessellift auf die Düne - selbst eine Sphinx haben sie da hinbetoniert, so jubelt eine englisch-sprachigen Broschüre. Kulisse für die Kamele, die dann beladen mit rauchenden Chinesen einige wenige Minuten über die Düne schaukeln. Ich hab genug gesehen von diesem Elend. Es ist ein flaches Mückenparadies, der Blick nach Norden: Marschland bis zum Horizont, das Auge findet Halt nur an den Schornsteinen und Hochspannungsleitungen.

 

Ich bau mein Zelt ab - Inzwischen hat eine Truppe Gehweg-beselnder Gärtner sich neben meinem Rad eingefunden, um gemeinsam zu rauchen, den Touri zu begaffen und sich dann und wann aus dem Rachenraum einen gelben Rotzbatzen hochzuziehen und vor sich auf den Asphalt niedersinken zu lassen. Nichts wie weg hier.

 

Mein Weg führt zurück auf die Straße nach Norden, Ackerland, ich durchfahre höchst eigentümliche Städte, Provinznester in der Städteplaner und Monumentalarchitekten sich zum Wettprotzen getroffen haben – 8 spurige Kreuzungen und Straßen mit Fahrbahnbreiten, dass die angrenzenden Prachtbauten in die Ferne rücken. Sozialistische Paläste, in denen sich die Stadtverwaltung oder ein obskures Referat des Politbüros verschanzt – und was für Betonplattenburgen haben sie da errichtet für die glückselige Bevölkerung: Chengguan? Nichtmal Wikipedia kennt diesen Ort. Bedeutsam wie ein Kaff im Outback hinter dem Erdinger Moos: Niederneuching, Maierklopfen, Urtl, … aber hier natürlich Millionenstadt. Dahinter wieder flaches Land und Mais und Sonnenblumen und Kürbis, soweit das Auge reicht.

 

Es gibt unterschiedliche Kategorien an Straßen – die Expressways – echte Autobahnen, mautpflichtig und Radfahrern nicht zugänglich. Die G-Klasse, übergroße Bundessstraßen, die ganz China wie eine Netz überspannen und kleinere Straßen der S- und X-Baureihe. Diese können selten auch mal kleiner Sträßchen sein – genauso gut aber Autobahn-hafte Dimensionen annehmen, wenn es den Straßenplanern der Hauptstadt gefällt. Dann macht eine kleine Landstraße, die sich harmonisch in die Landschaft fügte einem vielspurigen Betonband Platz, das sich mit Brücken und Tunneln durch die Gegend pflügt. Diese X-Straßen sind verkehrstechnische Überraschungseier: ich bin auf fast unbefahrenen Autobahnen unterwegs gewesen aber auch auf Feldwegen in wildem Zickzack einen ganzen Tag durch Felder und Dörfer gefahren, die vorher vermutlich keinen radelnden Ausländer je zu Gesicht bekommen haben. In den Dörfern ist die Zeit ein bisschen stehen geblieben – sozialistische Ermahnungen in roten Schriftzeichen sind auf den weiß getünchten Fassaden und Mauern noch zu erkennen. Die Einwohner halten abends ein ausgedehnter Ratsch auf der Straße, Männer und Frauen haben ihre Hockerchen vor die Tür gestellt und besprechen das Leben in kleinen Grüppchen – die Männer rauchend und Karten spielend, die Frauen miteinander plappernd mit Gemüse und Kräutern vor den Füssen, das geputzt wird, verkauft, getrocknet…

 

Ich bin einen Tag lang auf einem Damm mit Rückenwind dem Lauf des gelben Flusses gefolgt, Kilometerfressen auf 2 Spuren, kein Verkehr und hab mich gefühlt wie in Holland. 

 

Hier in der inneren Mongolei sind die Städte Kohlestädte, Eisenstädte, Bergbaustädte. Schlote und dampfende Kühltürme bis an den äußersten Rand des Sichtfeldes. Industriesiedlungen umgeben die Städte, die entlang des gelben Flusses in der Wüste entstanden sind.

 

Ich habe mir – hoffend auf Natur und wenig Verkehr - ein kleines Sträßchen ausgesucht, Kategorie X, das ein wenig abseits der direkten Verkehrsverbindungen nach Wuhai führt. Wuhai: Kohlestadt. Auf einer letzten Hauptstraße überquere ich den gelben Fluss, hier beginnt die innere Mongolei. Die Fahrbahn füllen überschwere Kohlelaster, schwarzer Staub weht über den Asphalt – kopfgroße Brocken fallen von den Transportern und werden vom Verkehr zermahlen zu feinen Partikeln, Staub der sich in der Nase festsetzen, es stinkt nach Schwefel, am Straßenrand reihen sich die Autowerkstätten, schwarz-rußige Höhlen, vor denen sich Altreifen und Karosseriegerippe stapeln. Selbst das Gras am Straßenrand und die vereinzelten Sonnenblumen sind von schwarz von Staub und Ruß und Abgasen. Das kleine Sträßchen entpuppt sich als die Haupteinfalls-Route in das Industriegebiet – Eine Kolonne von Schwertransportern schiebt sich in das Herz der Kohleverstromung, ich fahre seit einer Stunde unter einem dichten Netz an gigantischen Hochspannungsleitungen und es surren und singen die Gigavolt – gäbe es so etwas wie Elektrosmog – das hier wäre die Lebensdosis.  Fast ehrfurchtsvoll radel ich unter den Kühltürmen und rauchenden Schloten entlang, von den umliegenden Bergen wurden Gipfel und Hänge abgetragen: Umweltzerstörung und Versauung in solchen Dimensionen hab ich vorher nie gesehen - Die Straßen laufen hier zusammen wie Adern, die einen fetten bösartigen Tumor versorgen: Hunderte von diesen Mega-Lastwagen stauen sich mit Steinkohle beladen vor Werkstoren, in den Pfützen ölige Regenbogen, schwarzer Morast – die Fahrer rauchen, hupen, schreien und manövrieren ihre Ungetüme durch den Stau. Dazwischen ich mit meinem Rad – schlängel mir meinen Weg entlang an den Pfützen und mit dem Kopf auf Höhe der Trittbretter zu den Fahrerhäuschen – es sind echt gewaltige Laster, die hier im Einsatz sind. Dann erscheint ein unverhoffter Höhepunkt der Tagesetappe inmitten der Straße: Der vermutlich hässlichste Brunnen der Welt.

 

Das alles war mal unberührte Wüste und von den Gipfeln der Berge sah man auf die trägen Windungen des gelben Fluss, der sich hier in großer Breite durch sein Bett schiebt. Entlang des Flusses Landwirtschaft und Siedlungen, Fischer, … Der Glauben auch hier Lamaismus und die Klöster blickten herunter auf karges weites Land, Dünen, Sand und ein grünes Band entlang des Flussufers. Eines dieser Klöster gibt es noch und ich entdecke es zufällig an den Hängen, weit weg, auf der anderen Seites des Flusses. Die typischen rot-weißen Mauern, die goldenen Dächer, die Terrassen zwischen den Tempeln: Das Maß der Zerstörung ist fast schon blasphemisch und ich will gar nicht wissen auf was die Mönche heute schauen, wenn sie von den Hängen herunter sehen ins Tal. 90 Km sind es bis Wuhai und 90 km, bis an die Grenzen der Stadt, mit all ihren aus dem Boden gestampften Hochhaussiedlungen, begleitet mich die Kolonne an Lastern, die das Futter für die Kraftwerke herankarren, um den unersättlichen Energiehunger dieses Landes zu stillen.   

 

Das hier ist ein Lehrstück für alle, die sich um eine Kulisse für absolute Trostlosigkeit bemühen – vielleicht für deprimierende Filmeprojekte in denen der finale Suizid wie ein happy end daher kommt: Wer also an so einem Projekt arbeitet und nach einem geeigneten Winkel für das Abdrehen des Trauerspiels sucht: Bitteschön: Optimalbedingungen zwischen Chengguan und Wuhai! Vorteil auch: Wenn man nach dem schönsten Tag der Reise gefragt wird, ist es schwer zu antworten – so viel war schön. Seltener die Frage nach der allerhäßlichsten Etappe – schade – weil darauf wüsste ich jetzt auf alle Fälle eine Antwort.

 

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Ins tibetische Hochland und zurück

Qinghai – Gansu – Sichuan

 

Das ist jetzt retrospektiv – an sich schon im letzten Blogbeitrag abgefrühstückt – aber den Anfang von dem hier folgenden hatte ich bereits geschrieben, bevor ich meine Abwesenheitsnotiz gepostet habe

 

Und so klang das:

 

Hier beginnt die letzte Etappe. China ist so riesig und in der verbleibenden Zeit ist es schlicht unmöglich nach Peking zu radeln. Die ursprünglichen und absolut unrealistischen Planungen sahen vor, an der Südseite der Wüste Gobi und unterhalb des tibetischen Hochplateaus 1500km auf endlosen und schnurgerade Autobahnen nach Osten zu fahren. Golmud, ein verschlafenes Nest, das an der Eisenbahnlinie nach Lhasa liegt, wäre der Ausgangspunkt, um über einsamste Straßen in den Südosten weiter zu radeln. Am Wohnzimmertisch mit den Füßen im Warmen erschien das irgendwie kühn aber auch durchaus machbar. Im Südosten liegt die Provinz Sichuan, die man als Mitteleuropäer am ehesten kulinarisch kennt: Wenn man bei uns chinesisch essen geht und es eher spicy will, ist es meistens ein Gericht aus Sichuan, das für seine Küche auch innerhalb Chinas berühmt ist. In Sichuan fällt das tibetische Plateau in das fruchtbare Becken ab, in dem die Hauptstadt der Provinz, Chengdu liegt. Zwei bekannte Straßen verbinden Lhasa mit Chengdu und auf eine der beide wollte ich von Norden kommend treffen, um dann nach Chengdu herunter zu radeln. Schöner Plan, dauert aber Monate. Außerdem haben es diese 1500km vorher durch die Wüste in sich: Sandstürme und eine feindselige Sonne, die einen für mehrere Stunden pro Tag in Tunnels zwingen – gewaltige Rohre, die das Schmelzwasser im Frühjahr abführen und dafür sorgen, dass nicht jedes Jahr die Autobahn in die Gobi gewaschen wird. In diesen Löchern kann man sich dann verkriechen, bis um 6 Uhr abends die Schatten lang werden und man weitere 3 Stunden durch die Wüste pedalieren darf. Nebenbei führen diese 1500km Wüste durch XinJiang: Gleichbedeutend mit endlosen Kontrollen und steter Überwachung, Gängelung und Willkür durch die Polizei. Das folgende Hochplateau ab Golmud ist endlos - … auf der Karte ist das ein verwegener Plan, kühn – jaja… - die Streckenwahl, ganz fabelhaft! und garantiert einsam. Was für eine Schnapsidee das ist merkt man, wenn man erstmal da ist.

 

In zwei Monaten ist das nicht durchführbar – und zunächst habe ich eh nur 31 Tage auf meinem Visum. Lässt sich aber verlängern, und zwar um genau einen Monat… aber bestimmt nicht in Golmud. Es gibt ein paar ausgesuchte Orte in China, die mit der Aufgabe betraut wurden, Visen zu verlängern und eine davon ist Xining, eine andere Chengdu. Des Weiteren gäbe es noch Hami, ein auf Millionenstärke aufgeblasenes Wüstendorf, das seine goldene Zeit hatte, als die Seidenstraße hier noch mit Kamelen bewandert wurde.  Die anderen abgezählten Orte sind unattraktiv weit im Osten oder Süden.

 

Xining ist die Hauptstadt der Provinz Qinghai in Zentralchina und schließt östlich an Xinjiang an. In Qinghai endet die Gobi, im Norden und Osten liegt Gansu wie eine Niere und im Süden beginnt Sichuan. All diese Provinzen erstrecken sich auch auf das tibetische Hochplateau und alle 3 Provinzen beherbergen eine Reihe von Minoritäten. In den Tälern leben viele Muslime, die ursprünglich bis aus dem fernen Samarkand eingewandert und hier sesshaft geworden sind. In den Bergen ist die Kultur konsequent tibetisch. Tibet ist sehr viel größer als die autonome Provinz, Xizhang, mit der Hauptstadt Lhasa: Riesenhafte Klöster und Zentren der tibetischen Kultur liegen auch außerhalb von Xizhang. Kumbum in der Nähe von Xining, Labrang in und Langmusi an der Grenze zu Gansu, sowie Aba, Garze und Dangba in Sichuan; das alles sind gewaltige Klösterstädte in den Bergen zwischen 2000 und 4000 Meter Höhe. Tausende Mönche leben in jedem dieser Klöster und die Kultur lebt hier weniger streng überwacht als in den großen Klöstern der autonomen Provinz: Sera, Drepung, Ganden, Tashilumpo, Sakya…

 

Der Plan also Folgender: Von Kashgar nach Xining mit dem Zug, in Xining das Visum verlängern, dann von Xining nach Süden radeln, bis ich in Chengdu sehe wieviel Zeit bleibt. Von Chengdu zumindest mal Richtung Peking dann nochmal mit dem Zug.

 

Auf der Karte schaut der letzte Schenkel meiner Radltour wie ein vereinsamter Nadelstich auf einer Tischdecke aus – und ich habe ein bisschen damit zu hadern. Ich radl eben nicht nach Peking. Ich radl nach China. Und dann fahr ich nach Peking und das Rad ist über die weiteste Strecke Gepäck. So hatte ich mir das ursprünglich nicht vorgestellt. Aber anders geht’s halt nicht. Weder habe ich 4 Monate Zeit, noch Lust auf diesen Wüsten-Irrsinn – auch der dicht besiedelt Osten, in dem sich komplett unbekannte Millionenstädte aneinanderreihen, ist nicht das absolute Radlerparadies. So isses jetzt. … und ich erfülle mir immerhin / zumindest einen langgehegten Plan, diesen Teil Tibets zu bereisen. Nadelstich hin oder her.

 

 

1.           Die letzten 10 Stunden im Zug stehend verbringen – dann endlich in Xining

 

 

Von Turfan - immer noch mitten in Xinjiang nehme ich den Schnellzug. 10h nach Xining, leider nur Sitzplatz bis Hami – die weiteren 8 Stunden dann stehend. Die Nacht vorher war ja auch nicht gerade erholsam und so ziehen sich die Stunden.

 

Ein 13-jähriges Mädchen, Emma, entdeckt mich als möglichen Gesprächspartner zum Englisch üben. Sie klagt über die Schule und die Taktung des Lebens – sie bleibt unter der Woche in der Schule und der Stundenplan entspricht dem Horrorstereotyp, das man von den chinesischen Drill-Akademien hat: Aufstehen und 30 Minuten zum Frühstücken, Schule bis um 17:00 und dann Hausaufgaben bis um 9 Uhr abends. Jede Woche ein Test in jedem Unterrichtsfach. Der Drill, dem die Kinder hier ausgesetzt sind, ist schon feindselig.

 

Emma bekommt deshalb so viel Raum in diesem Blog, weil sie sich mit 3 Sachen auseinandersetzt, die ich erwähnenswert finde, und entlarvend und wenig ermutigend: Erstens erzählt sie mir, dass sie Japaner hasst, nie einen Japaner kennenlernen will und zum Glück auch keinen kennt. „Ja warum?“ frage ich, aber das ist scheinheilig, weil ich ganz genau weiß warum: Genau! Ob ich denn die Geschichte nicht kennen würde? … doch, so gut weiß ich schon Bescheid, um zu wissen, dass die Japaner sich grausigst an der Zivilbevölkerung vergangen haben. Gerade als Deutscher kann man da schon Stellung nehmen – und das tue ich natürlich – Wiederhall allerdings bei der kleinen Emma gleich Null und sie bleibt dabei … Japaner sind einfach furchtbar, so sieht es aus! 

 

Und die aus Hongkong: die hassen die Chinesen aus dem Rest der Republik. Und sind gewalttätig und drum muss man vor denen Angst haben. Nach Hongkong kann sie nun leider nicht mehr fahren, es ist einfach zu gefährlich, lauter Kriminelle. In Xinjiang auch – das sind doch Muslime!

 

Das hat sich das Kind nicht selber zusammen getragen in einer langwierigen und profunden Recherche zur jüngeren Geschichte und den aktuellen politischen Verwerfungen herausdestilliert: Das hier ist das Echo der Propaganda-Maschinerie, die einem in der Schule den selbstständigen Meinungsbildungsprozess freundlicher Weise abnimmt und nun aus der Hirnschale eine Kindes herausschallt.

 

Als eine vernünftige Vorbeugemaßnahme zur Vermeidung von stumpfem Nationalismus gilt ja die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Das findet in China nicht statt – stumpfer Nationalismus aber durchaus schon. Dass die Demonstranten in Hongkong ihre Schlacht um den Erhalt ihrer verbrieften und versprochenen Freiheiten auf lange Sicht schon verloren haben, hat auch viel damit zu tun, dass 2 Milliarden Chinesen glauben, dass da unten im Süden kriminelle Banden die Proteste steuern. Und die Muslime schlafen eh mit der Axt unter dem Kopfkissen – messerwetzende Muselmanen. In der Tat müssen in Xinjiang die Messer beim Metzger angekettet sein. Vorsichtsmaßnahme. Nicht, dass ein Uigure in muslimischem Rauschzustand und religiöser Ektase mit dem großen Schächten der chinesischen Besatzungsmacht beginnt.

 

Unabhängig davon ist Emma ein sehr lustiges und liebes Kind. Wir tauschen unsere WeChat Kontakte aus und verabreden uns zum Panda gucken im Tierpark von Cheng Du. Sie fährt weiter nach Lanzhou – ich darf 2 Stunden vor ihr in Xining aus dem Zug wanken, mein Radtaschen-Gepäck in einem gigantischen Plastiksack ist höllisch schwer und so bequem zu tragen, wie ein Billardtisch. In dem super modernen Bahnhofsgebäude sind die Wege weit und ich verlaufe mich auf der Suche nach dem Taxistand – aber dann finde ich die Schlange, verfrachte mich in die sehr bequeme Sitzbank und zeige der Taxlerin die Adresse. Keine Diskussion über Fahrpreise, dank Taximeter und in dem durchdigitalisierten Land ist auch das Hostel schnell gefunden. Und hier will ich erstmal bleiben: Gemütlichkeit kann so einfach sein. Ein paar niedrige Tische, eine kleine Küche, ein Tresen, der sowohl als Rezeption (tagsüber) als auch als Bar (abends) fungiert. Ein paar freundliche Betreiber des Ladens, eine Liste für Takeaway- und Delivery-Services – heute bewege ich mich keinen Millimeter mehr aus dem Haus. Musik aus dem Westen, ein paar englische Titel im Bücherregal. Ein paar vereinzelte Ausländer zwischen den chinesischen Reisenden, die wenig überraschend die Küche belagern und gemeinsam Kochen, als würde eine Hochzeitsgesellschaft oder die Volksbefreiungsarmee verköstigt werden müssen.

 

In Xining hole ich an Tag 1 mein Rad ab – nichts ist einfach, aber am Ende geht alles irgendwie. Ich habe eine ungefähre Angabe wo die Ausgabe für Sperrgepäck ist – finde tatsächlich den Ort, nur ist da nicht die Gepäckausgabe. Macht aber nichts, weil irgendein Kollege in die Richtung fährt und mich schnell mitnimmt. In einer riesenhaften Halle steht es zwischen Türmen aus Paletten und Säcken klein und grün, an die Wand gelehnt. Immerhin schon mal das Rad!

 

 

2.           Jetzt Visum verlängern:

 

 

Dazu begibt man sich in die entsprechende Dienstelle der Behörde, antichambriert bis die Glastüren von einem niederen Wachmann aufgesperrt werden. Die Anwesenheit von weiterem Personal teilt sich durch dichten Qualm mit, der aus den angelehnten Büroräumen dringt; ein wenig später schlappt Beamter No 1 an einen Schreibplatz, die Kippe entspannt im Mundwinkel. Plakate, die das Rauchen mit empfindlichen Geldstrafen ahnden, hängen hier zwar flächendeckend, gelten aber möglicherweise nur für die Touristen, die hier rein müssen. Ich biete dem Beamten freundlich an, doch erst gemütlich zu Ende zu rauchen…. Wie ich feststelle leider ein schlechter Start in das Bewerbungsgespräch um 31 zusätzliche Tage.

 

„Passport!“ ranzt er mich an - dienstbeflissen lächle ich ihm das Dokument durch die Glasdurchreiche, aufgeschlagen, so dass er das Visum nicht erst lange herblättern muss

 

„Shave“ raunzt er. „WAS????“  - Soweit kommts noch. Und „NO!“ Sag ich, …. Da blickt er dann doch kurz auf! „Religion?“ fragt er, … „Nope“ antworte ich. Darauf er: „Shave!“

 

An sich bin ich nur hier, um zu erfragen welche Dokumente ich vorlegen muss, und das bekomme ich dann noch rausgeleiert: Ein Anschreiben in dem ich darlege, warum ich länger in diesem Land ausharren will, weiter eine Angabe zu den angesteuerten Punkten der Reise. Für den Primärantrag brauchte ich noch die gesamten Hotelbuchungen, alle brav von Groundcontrol Gigi in München reserviert und dann wieder storniert. Hier wird zum Glück zumindest auf die offiziellen Buchungsbestätigungen verzichtet, des Weiteren aktuelle Pass-Fotos. Und eine Bestätigung des Hotels in dem ich mich derzeit befinde, dafür gibt’s ein offizielles Formular. Einiges davon habe ich – einen Coiffeur, der sich auf das Kürzen von Bärten versteht, versuche ich zu finden, hier in dem Land der Unbebarteten, Kahlwangigen, Pinselhaarigen, Nacktmullen. Die Formulare nehme ich mit – Wiedersehen bis morgen.

 

Unrasiert erscheine ich am Folgetag – das mit dem Bart kann ich später auch noch machen (denke ich) und habe Glück, weil der unnachgiebige Amtsträger seinen freien Tag hat oder im Keller Akten umschichten muss – jedenfalls erscheint ein junges ausgeschlafenes Gesicht und nimmt meine zusammengetragenen Formulare entgegen. Dann muss ich ins Nebenzimmer wo ich fotografiert werde – und jetzt macht das mit dem Rasieren plötzlich Sinn: Das neue Foto muss in wesentlichen biometrischen Kenngrößen mit dem Scan aus dem Reisepass übereinstimmen – das macht ein Computer und der erkennt zunächst keine Ähnlichkeit zwischen dem blassen, etwas rundgesichtigen und  glattwangigen Sträflingsbild im Pass und den zwei Augen die aus dem Haarwust schauen. Es ist der Hartnäckigkeit des jungen Beamten geschuldet, dass ich nicht doch noch zum Barbier geschickt werde.  Hier ein bisschen die Haare gefeuchtet und aus der Stirn geleckt, hier den Bart ein bisschen ans Kinn gepresst – am Ende schluckt das Programm die beiden Bilder. Bearbeitungszeit zur Ausstellung der Verlängerung sind im Allgemeinen 5 Arbeitstage – es ist Dienstag – vor Montag habe ich keine Chance – Juhu! 8 Tage in der Weltmetropole Xining. Aber dann wird mir – große Überraschung - verkündet:  Morgen schon kann ich meine Visaverlängerung abholen. Meint er, erzählt mir, dass er kürzlich in Bonn war, dass ihm Deutschland so gut gefalle, dass er Bayern München super findet und: Viel Spaß in China! So also geht’s auch. China ist sooft beides – erst kompliziert und dann geht’s doch irgendwie überraschend einfach.

 

Jetzt muss ich doch schneller als erwartet aus der mir liebgewonnenen Hostelsicherheit ins große Ungewisse: Alleine in dem Riesenland – durch die Berge nach LinXia – 4 Tage, dann in zwei Tagen nach Xiahe in Gansu – dort das Kloster Labrang ansehen und in weitern 2 Tagen nach Langmusi. Eine weiter Klosterstadt, die dann schon in Sichuan liegt. Von da schau ich weiter – Ein Weg durch die Berge – an Klöstern entlang bis nach Chengdu – so der Plan.

 

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Abwesenheitsnotiz

Aus Xining bin ich zunächst nach Süden gefahren - der mühevoll ausgeklügelte Plan sah vor einen Abstecher in das tibetische Hochland  zu unternehmen und dann nach Chengdu rauszurollen. Von dort in den Zug nach Peking, entspannte Tage, und den Heimweg antreten. Und so bin ich zunächst motiviert in den Süden geradelt, habe mir ein paar sagenhafte Klöster gegeben, habe den gelben Fluss gesehen, hatte grandiose Abfahrten, endlose Anstiege, Pässe im Nebel, Gebetsfahnen, Grasland in Gansu, schroffe Felsen in Quinghai, ein bisschen Schweiz in Sichuan und vieles mehr.

Aber mit jedem Kilometer in den Süden wuchs auch das Unbehagen: Will ich tiefer in die Berge, noch mehr rauf und runter, noch mehr Klöster? Es gab Erdbeben und Schlammlawinen - Straßen sind gesperrt - mit dem Auto ein Umweg von ein paar Stunden - mit dem Rad ein Umweg von einer Woche. Regen und Schnee haben sich angekündigt. Irgendwie wirkt das ganze Vorhaben nicht mehr so sehr attraktiv.

Und was ist das mit Cheng Du? - das ist nicht gerade Peking - und da wollte ich doch eigentlich hin. Klar - ich fahr dann mit dem Zug (Das Zugfahren würde ich ja auch gerne vermeiden. Meine Herrn, das war ein Scheiß) nach Peking und bleib da so ein bisschen. Aber so hatte ich das ursprünglich nicht im Kopf. Ich hatte zwar insgesamt verdammt wenig Vorstellungen wie das Radreisen in China so ist - aber ich wäre schon gerne mit dem Rad angekommen - anstelle mittendrinn einfach aufzuhören. An einem fast willkürlich gewählten Ort. Irgendwo. Will ich so die Reise beenden?

Ich stell mir vor, wie ich nach einem langen letzten Tag entnervt im Straßenchaos von Chengdu nach dem Scheiß Hostel suche - es natürlich erst nicht finde - irgendwann dann doch - immer dieselbe Herbergssuche. Und ja - super sie haben noch ein Bett im Schlafsaal mit 16 Betten. Den Reisepass bitte!  Und für 3 Nächte im Voraus zahlen, OK? Und dann pack ich meine Taschen vom Rad - und das wars dann.

Nein, so will ich nicht meine Reise beenden.

 

Zuletzt fehlte jede Motivation weiter in den Süden zu fahren - keinerlei Gravitation, die ein Ziel ja entwickeln sollte... und als ich an meinem zweiten Tag in Langmusi, einer großen und lebendigen und ursprünglich belassenen Klosterstadt von einem langen Ausflug zurückkam, wußte ich, dass ich dieser Reise irgendwie auch ein angemessenes Ende schuldig bin. Und das ist nicht in Cheng Du, trotz sagenhaftem Essen und den schon so nahen zivilisatorischen Verlockungen.

 

Bis ich in Peking aufschagen muss habe ich noch 3 Wochen Zeit - und bis Peking sind es ein bisschen mehr als 2000km. 100km am Tag sind machbar. -Mir gefällt der Gedanke so gut, dass ich die Entscheidung getroffen habe, bevor ich sie durchdacht habe. Aber so sieht es jetzt aus:
Ich bin in Langmusi am nächsten Tag aufs Rad gestiegen und in 3 Tagen zurück nach LinXia - einer Stadt, die vor allem hässlich und laut ist - allerdings ein ehemaliges Handelszentrum an der Seidenstraße. Nur der ewige Lonely Planet Führer kann dieser hupenden Hölle etwas abgewinnen.

 

Von hier gehts ins Ungewisse: China ist riesig und die Möglichkeiten endlos. Aber es ist auch ein schwieriges Reiseland: Schwere Verständigung und ein gestörtes Verständnis von Vorfahrtsregeln. Im Norden entgeht man dem Regen, landschaftlich werde ich mich überraschen lassen müssen. Regen tausche ich gegen Wind - vermutlich aus Osten, direkt ins Gesicht. Hurra! Wo werde ich schlafen? Nur wenige Hotels in China dürfen Ausländern überhaupt ein Zimmer geben. Kann ich zelten? Überall sind Zäune, überall Baustellen - über Zig Kilometer. Find ich einen Weg, der  mich konsequent mal ein paar 100km in die richtige Richtung führt? Heute bin ich nach 20 km vor einer Autobahn Zufahrt gestanden - die Mitarbeiter des Mautbereibers haben gelacht, als ich ihnen erklärt habe, dass meine Beine stärker sind als die hustenden Mopeds, die hier durchaus fahren dürfen. Die Autobahn ist neu - auf den Karten und Navigationsapps sind weitgehend veraltete Wege eingezeichnet. Nicht verwunderlich in einem Land das sich gefühlt alle zwei Jahre einmal komplett rundumerneuert. Aus meinen 80km wurden so schnell mal 125.

Ich bin gerade nicht wirklich euphorisch was diesen letzten Abschnitt Richtung Osten anbelangt. Ich hätte gerne einen Mitradler - aber alles was nach Osten fährt dreht in Kirgistan ab - meistens Richtung Flughafen und Heimat. Die Wenigen, die sich in dieses Land vorwagen, nutzen den Karakorum Highway um schnell nach Pakistan zu reisen. Ein kleiner Haufen, aber das sind schon homöopathisch verdünnte Radfahrerchen, die sich auf der gigantischen Landkarte verlieren, hat Laos und Vietnam zum Überwintern als Ziel. Nach Peking fährt glaub ich dieses Jahr nur einer. Und - ganz ehrlich, ich hab ein bisschen die Hosen voll.

Mit diesen sehr heroischen Einlassungen belasse ich es mal - die nächsten Wochen werde ich allabendlich in ein kleines Notizbuch schreiben um dann hoffentlich  aus einer prallen Stoffsammlung einen unterhaltsamen Blogbeitrag zu zimmern. Also keine Sorgen machen: Dem Straßenverkehr begegne ich mit defensivem und vorausschauenden Fahrverhalten, dir Straßen sind großartig, und im Norden erwarte ich Einsamkeit - auch auf dem Asphalt.

Over and out

 

 

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